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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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als Wissenschaftler so alles?»
    «Zum Beispiel, dass man nicht alles glauben darf», sage ich.
    Abels Blick fällt auf meine leere Tasse. «Noch Kaffee?» Es klingt freundlich, und doch ist da ein Hauch von Provokation in seiner Stimme.
    Ich beuge mich vor. Ohne meine Tasse aus den Augen zu lassen, sage ich lauernd: «Ja, sehr gern.»
    Angespanntes Schweigen.
    Obwohl ich mich konzentriere, verpasse ich den entscheidenden Augenblick. Plötzlich, als hätte ich für einen Moment nicht hingesehen, ist meine Tasse ein weiteres Mal mit duftendem und dampfendem Kaffee gefüllt.
    Ratlos blicke ich zu Abel. Der zuckt mit den Schultern. «Was soll ich dir sagen, Jakob? Du würdest es ja doch nicht glauben.»
    «Versuchen wir es», erwidere ich. «Vielleicht überzeugst du mich ja.»
    Abel wiegt skeptisch den Kopf hin und her, dann gibt er sich einen Ruck.
    «Es passiert beim Blinzeln», erklärt er. «Vor jedem Lidschlag schaltet dein Gehirn für ein paar hundert Millisekunden die Wahrnehmung aus, damit dir dein eigenes Blinzeln nicht auffällt. Deshalb verpasst du alles, was in dieser Zeit passiert. Ist übrigens bei allen Menschen so.»
    «Und in dieser Zeit gießt du mir Kaffee nach?»
    «So ähnlich», erwidert Abel grinsend.
    «Vielleicht solltest du Kellner werden», stichele ich. «Leute mit einem solchen Tempo werden händeringend gesucht.»
    Abel lächelt milde. «Der Planet, auf dem wir beide gerade sitzen, braucht auch nur einen Lidschlag, um sich fast fünfzehn Kilometer durchs Weltall zu bewegen. Ist keine Weisheit von mir, sondern eine …» Er betont das folgende Wort genüsslich. «… wissenschaftliche Erkenntnis. Was kommt dir nun merkwürdiger vor? Dass ich in der Lage bin, dir ein bisschen Kaffee in die Tasse zu zaubern? Oder dass wir beide gerade mitsamt dieser Welt und einer Geschwindigkeit von fast zweitausend Stundenkilometern durch einen schwarzen, unendlichen Raum stürzen?»
    Argwöhnisch beäugen wir uns. Zwei Boxer, die sich umkreisen und auf den entscheidenden Schlag lauern. Sieht nach einem ruhmlosen Unentschieden aus.
    «Du hast meine Frage noch nicht beantwortet», sage ich. «Wenn du wirklich Gott bist, warum veränderst du die Welt dann nicht mit einem Fingerschnippen nach deinen Vorstellungen?»
    «Wieso interessiert dich das?», erwidert Abel patzig. «Du glaubst doch sowieso nicht, dass ich Gott bin.» Er verschränkt die Arme vor der Brust und blickt düster ins Schneegestöber.
    Auch ich drehe den Kopf wieder zum Fenster und schaue den Flocken beim Tanzen zu. Wenn man bedenkt, dass wir während unseres Gesprächs tatsächlich Hunderte von Kilometern durchs Weltall geschleudert werden, dann kann einem bei diesem Gedanken schon ein bisschen mulmig zumute werden. Erstaunlich, woran wir Menschen so alles glauben, weil wir es zu wissen glauben.
    «Ich könnte versuchen, mir für die Dauer unserer Zusammenarbeit so eine Art professioneller Schizophrenie zuzulegen», beginne ich.
    Abel merkt auf.
    «Das heißt, als Psychologe wäre ich weiterhin der wissenschaftlichen Überzeugung, dass es sich bei Abel Baumann um einen Menschen mit einer schweren Psychose handelt. Und sollten wir auf eine kritische Situation zusteuern, dann würde ich auch auf Basis dieser Überzeugung meine Entscheidungen treffen.»
    «Aber …?»
    «Aber es gäbe eben auch noch den Privatmann Jakob Jakobi. Und der könnte nicht abstreiten, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man nicht erklären kann. Dieser Privatmann wäre wohl sogar bereit, die Existenz gewisser unbekannter Mächte anzuerkennen. Ob man das aber nun schon als Gottglaube bezeichnet kann, das sei dahingestellt.»
    «Immerhin», konstatiert Abel. «Das ist doch mal ein Anfang.»
    «Du hast aber schon verstanden, dass ich fremde Hilfe hinzuziehen muss, wenn wir die Situation nicht in den Griff bekommen, oder?»
    Abel nickt. «Du tust das, was du gut kannst. Ich tue das, was ich gut kann.»
    Ich stutze. «Ist das aus der Bibel?»
    Abel schüttelt den Kopf. «Nein. Aus Heat . Der erste gemeinsame Auftritt von De Niro und Pacino.»
    Ich greife nach meinem Kaffee, um den nächsten Anfall von Müdigkeit im Keim zu ersticken. «Wir wollten über deine eigentlichen Probleme reden.»
    Abel nickt. «Stimmt. Und nebenbei wolltest du noch wissen, warum ich die Welt nicht einfach nach meinen Vorstellungen verändere.» Er versucht ein lässiges Lächeln, aber es wirkt unentspannt. «Die ebenso traurige wie schlichte Erklärung lautet: Ich kann es nicht.

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