Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
halten Sie Ihren Vater so demonstrativ auf Distanz?», frage ich, als wir wenig später den Versammlungsraum des Klosters betreten. Wie alle Räume, die wir bislang besichtigt haben, ist auch dieser schlicht gestaltet und karg möbliert. Ein einsames Holzkreuz ziert den unverputzten Stein. Die übrigen Wände sind schmucklos.
    Das Kreuz ist mir auf unserem kurzen Weg durch die Anlage schon einige Male begegnet. Ich vermute, zur Eröffnung hat man eine Sammelbestellung in Auftrag gegeben. Christian registriert, dass ich das Symbol des Leidens Christi nachdenklich betrachte.
    «Wir haben hier eine eigene Tischlerei», erklärt er. «Dort werden diese Kreuze hergestellt. Wir verkaufen sie, nebenbei bemerkt, auch recht erfolgreich, sogar bis nach Lateinamerika. Das Modell ist schlicht, preiswert und auf Wunsch liefern wir es vorgesegnet.»
    «Weil ein bayerischer Segen besonders gut wirkt?», vermute ich.
    «Weil es viele Menschen gibt, die strapaziöse Reisen unternehmen müssten, um einen Geistlichen zu treffen, der den priesterlichen Segen erteilen kann», korrigiert Christian nachsichtig.
    Ich überlege. «Interessant. Glauben Sie, es gibt auch einen Markt für vorvergebene Sünden?», frage ich. «Für Menschen, die es zu weit zum nächsten Beichtstuhl haben? Oder die zeitlich stark eingebunden sind? Man könnte einen Block mit Abreißzetteln anbieten, mit denen Sünder ihre Sünden annullieren dürfen. Pro Sünde wäre einer dieser Zettel fällig …»
    «Es ist gut, Sie müssen Ihren geschmacklosen Witz nicht noch weiter ausbauen», unterbricht Christian verschnupft. «Ich habe ihn verstanden.»
    «Verraten Sie mir dann, welche schwere Sünde Ihr Vater begangen hat, dass er von Ihnen nicht einmal ein freundliches Wort hört, wenn er Sie besucht?»
    Zufrieden bemerke ich ein nervöses Zucken in Christians Mundwinkel. Der Gottesmann ist sauer auf mich, vielleicht sogar richtig wütend. Aber genau das will ich erreichen. Wenn er sich während unseres Gespräches so unter Kontrolle hat wie bei der Begrüßung seines Vaters, dann werde ich hier nichts Neues erfahren. Deshalb muss ich Christian aus der Reserve locken. Nur so wird sich zeigen, welche emotionale Bindung zwischen ihm und Abel besteht. Also setze ich nach.
    «Steht das nicht sogar in den Zehn Geboten?», frage ich scheinheilig. «Dass man Vater und Mutter ehren soll?»
    Das Zucken in Christians Mundwinkel wird stärker. Ich rechne damit, dass ihm jeden Moment der klerikale Geduldsfaden reißt.
    Doch dann passiert etwas Erstaunliches. Christian schließt die Augen, atmet zweimal tief durch und ist plötzlich wieder die Ruhe selbst.
    «Ich kann verstehen, dass Sie Ihren Patienten verteidigen», sagt er gelassen. «Aber Sie müssen auch mich verstehen. Der Mann, der im Empfangsraum auf uns wartet, hält sich für Gott. Und das ist nicht nur eine schwere Sünde, sondern auch …»
    «Sie sprechen von ihm, als wäre er ein Fremder», unterbreche ich.
    Christian zuckt mit den Schultern. «Das entspricht ja auch den Tatsachen. Ich habe meinen Vater praktisch nie zu Gesicht bekommen, weil er ständig die Welt retten musste. Da ist es doch logisch, dass mein Stiefvater mir sehr viel näher steht. Aber ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass mein leiblicher Vater gewaltige Anstrengungen unternommen hätte, um die Situation zu ändern. Und jetzt tauchen Sie hier auf und wollen mir erzählen, dass ich ihm trotzdem etwas schuldig bin. Was führt Sie nur zu dieser seltsamen Erkenntnis, Dr. Jakobi?»
    «Die Logik», erwidere ich.
    Christian sieht mich erwartungsvoll an.
    «Da es sich bei Ihrem Vater um einen Mann mit einer schweren Psychose handelt, würde ich erwarten, dass sich ein überzeugter Christ, wie Sie es mit Sicherheit sind, um ihn kümmert. Und zwar nicht allein um der Verwandtschaft willen, sondern schlicht aus Nächstenliebe.»
    «Jemand, der sich für Gott hält, ist naturgemäß extrem beratungsresistent», entgegnet Christian. «Seine Krankheit bedingt also, dass er nicht will, dass man sich um ihn kümmert. Leider. Mutter und ich haben mehrmals versucht, ihn zu einer Therapie zu bewegen, aber bislang ohne Erfolg.»
    «Abel selbst hat mich um Hilfe gebeten. Ihre Bemühungen waren also letztlich nicht umsonst», gebe ich zu bedenken.
    «Weil wir den Kontakt zu ihm abgebrochen haben. Schon vor Monaten. Er wusste also, wenn er nichts ändert, dann wird er uns nie wiedersehen», sagt Christian, während er das schlichte Holzkreuz an der Wand

Weitere Kostenlose Bücher