Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)
aber ein Stück Pastete mit dunklem Brot und mildem Chutney folgen lassen möchte, um dann zu Lachs und Garnelen überzugehen, halte ich es für besser, dass wir zunächst die maritime Seite des Kühlschranks komplett abarbeiten, um uns dann nach Pastete, Braten, Schinken und Salami auf die Käsespezialitäten freuen zu können. Wie sich in der Diskussion herausstellt, hat es uns beiden die exzellente Käseauswahl am meisten angetan. In gewisser Weise bedauern wir sogar, dass sie erst am Ende des Abends auf dem Programm stehen wird.
«Dann lass uns doch einfach das ganze Chichi weglassen und nur Käse mit Baguette auftischen», schlägt Abel vor. «Dazu köpfen wir nacheinander deine Spitzenrotweine und schauen uns im Fernsehen irgendeinen Quatsch an. Heute läuft meines Wissens die Bibelverfilmung von John Huston. Mit John Huston als Noah.» Abel grinst. «Pompös und schwülstig, aber genau deshalb auch wahnsinnig komisch.»
Guter Plan. Ich bin einverstanden.
Zwanzig Minuten später sind die Vorbereitungen für den Heiligabend erledigt. Abel hat eine Flasche Wein entkorkt und dekantiert, eine zweite holt schon mal Luft. Ich habe mich inzwischen um die Käseplatte gekümmert. Ein Brett, groß wie ein Wagenrad, steht nun auf dem Couchtisch vor dem Fernseher. Man muss aufpassen, dass man nicht schon vom bloßen Hinsehen satt wird. Mutter hat wieder einmal zu viel eingekauft. Auch das ist eine ihrer Angewohnheiten. Als mir bewusst wird, dass der Käse im Kühlschrank keine sichtbare Lücke hinterlassen hat, frage ich mich, wer diesen Berg von Lebensmitteln eigentlich essen soll. Das meiste wird wohl vergammeln. Wirklich schade drum.
Der Glockenschlag von Big Ben ertönt. Es ist die Türklingel. Mutter hat keinen besonderen Bezug zu London. Sie findet es einfach nur originell, bekannte Melodien zu missbrauchen. So ähnlich hat sie auch die Klingeltöne für ihr Handy ausgesucht. Wenn Jonas anruft, spielt das Ding We are the champions . Im Falle meines Anrufs hört man Hit the road, Jack .
Mutter findet so was lustig.
«Das ist die Türklingel», rufe ich Abel zu, der gerade im Wohnzimmer beschäftigt ist. «Ich schau mal kurz nach, wer das ist.»
«Alles klar», antwortet Abel.
An der Tür erwarten mich drei Herren mit Violinen. Bevor ich verstehe, was vor sich geht, beginnen die Instrumente I’m dreaming of a white Christmas zu schluchzen. Ich höre eine Version des Evergreens, die so zuckersüß ist, dass man Karies davon bekommen könnte. Immerhin passt die Darbietung gut zu diesem idyllischen, winterlichen Villenviertel.
Während ich noch überlege, wo Mutter für solche Fälle das Kleingeld aufbewahrt, verstummen die Violinen mit einem letzten, langen Seufzer. Der mittlere der Musiker nimmt den Hut vom Kopf und tritt vor.
«Frohe Weihnachten, der Herr», wünscht er in einem leichten osteuropäischen Akzent. Ich vermute, dass ich drei original ungarische Teufelsgeiger vor mir habe.
«Meine Brüder und ich müssen eine sehr große Familie ernähren. Wenn Sie also für uns eine Kleinigkeit erübrigen könnten, dann wären wir Ihnen sehr verbunden. Wir nehmen übrigens alle gängigen Kreditkarten.» Er entblößt eine Reihe Goldzähne. «Nur ein kleiner Scherz, der Herr.»
Ich nicke und bedeute den dreien, zu warten. Auf dem Weg zu Mutters Groschengrab begegnet mir Abel, der offenbar mitgehört hat.
«Warum gibst du ihnen nicht einfach was von unseren Vorräten?», fragt er. «Wäre doch schade drum. Und wir können sowieso nicht alles essen.»
«Sehr gute Idee. Ich frag die drei», antworte ich und bin schon wieder auf dem Weg zur Tür.
«Ich pack dann schon mal was zusammen», ruft Abel mir hinterher.
«Nehmen Sie auch Lebensmittel?», frage ich die Musiker.
Die Teufelsgeiger tauschen skeptische Blicke. Ihr Sprecher deutet eine Verbeugung an, dann räuspert er sich. «Guter Herr, es ist so: Manche Ihrer Landsleute erwarten, dass wir für ein altes Stück Brot mit Schmierwurst vor Dankbarkeit auf die Knie fallen. Ich hoffe, Sie nehmen es mir deshalb nicht übel, wenn ich höflich frage: Was haben Sie denn so anzubieten?»
Der Kerl gefällt mir. «Durch gewisse Umstände wird das heutige Festessen in diesem Haus kleiner ausfallen als geplant», erkläre ich. «Deshalb haben wir noch frische Austern, Garnelen und Lachs im Angebot. Außerdem Pasteten, Schinken, Braten und natürlich ganz frisches Brot.»
Ich schaue in die zweifelnden Gesichter der Teufelsgeiger.
«Kein Witz», sage ich. «Können
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