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Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition)

Titel: Und Gott sprach: Wir müssen reden! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Rath
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und eine junge Frau betritt den Raum. Sie ist Mitte, höchstens Ende dreißig. Ein bodenlanges Nachthemd mit floralem Muster lässt sie jedoch älter erscheinen.
    «Kannst du nicht schlafen?», fragt sie liebevoll.
    Er schüttelt den Kopf.
    «Möchtest du lieber allein sein?»
    Er nickt müde und versucht ein Lächeln.
    «Gut. Komm aber bitte bald wieder ins Bett. Es ist kühl hier.» Sie haucht ihm einen Kuss auf die Stirn, er tätschelt dankbar ihre Hand.
    «Wer ist das? Seine Frau?», frage ich, während sie hinausgeht.
    «Seine zweite Frau. Lydia. Die beiden haben einen gemeinsamen Sohn. Niklas. Er ist neunzehn und studiert in Kanada. Leider hängt er am Flughafen von Montreal im Schneesturm fest, weshalb die drei heute nicht zusammen Weihnachten feiern konnten.»
    «Das tut mir leid für die beiden», sage ich und beobachte jenen Menschen, der in einem anderen Leben mein Vater wurde.
    «Das heißt also, er war zuerst mit Mutter verheiratet», kombiniere ich.
    «Nein. Die beiden waren in diesem Leben überhaupt nicht verheiratet. Sie hatten lediglich eine reichlich komplizierte Affäre. Da deine Mutter nicht mit dir schwanger wurde, fühlte dein Vater sich auch nicht verpflichtet, sie zu heiraten. Und ihr fehlten die schlagenden Argumente, obwohl sie ihn wirklich sehr gern in den Hafen der Ehe geschleppt hätte. So genoss dein Vater stattdessen sein Junggesellenleben. Deiner Mutter blieb nichts anderes übrig, als sich von ihm zu trennen oder ihn mit anderen Frauen zu teilen. Sie entschied sich schweren Herzens für Letzteres.»
    Ich überlege. «Soll das etwa heißen, Jonas existiert in dieser Welt ebenfalls nicht?», frage ich.
    «Doch, doch», antwortet Abel. «Jonas ist in diesem Leben der uneheliche Sohn von deiner Mutter und Bartholomäus Jakobi. Deine Mutter und eine andere Studentin namens Marlene Stern wurden praktisch zeitgleich von deinem Vater schwanger.»
    «Und er hat Marlene geheiratet», vermute ich.
    «Genau. Sie war ein paar Jahre jünger als deine Mutter, deutlich angepasster und anschmiegsamer und nebenbei die Tochter eines Mannes, der ihm für seine Karriere förderlich zu sein schien.»
    «Und ging die Rechnung auf?»
    «Wie man’s nimmt», sagt Abel. «Immerhin bekam er eine Professur.»
    «Im richtigen Leben hat er Weltkarriere gemacht», wende ich ein.
    «Ja, aber das konnte er wirklich nicht ahnen, als er sich für Marlene und gegen deine Mutter entschieden hat», sagt Abel.
    «Und Marlene hat er dann für Lydia verlassen?»
    «Genau. Aus der Ehe mit Marlene ging Max hervor. Als Max etwa im gleichen Alter war wie Niklas heute, verliebte sich Bartholomäus in jene damals neunzehnjährige Studentin, die heute seine Frau ist. Der zweite Frühling erwischte ihn mit Mitte fünfzig, und wahrscheinlich hätte Marlene die Affäre als späte Midlife-Crisis unter den Teppich gekehrt, wenn Lydia nicht prompt schwanger geworden wäre.»
    «Was wurde aus Marlene? Und aus Jonas’ Halbbruder?»
    «Im Gegensatz zu deiner Mutter hängte Marlene ihren Beruf nicht an den Nagel. Sie arbeitet heute als Soziologin in Hamburg. Max wohnt noch hier in Köln. Nach der Trennung wusste er nicht, was er beruflich machen wollte und hielt sich ein paar Jahre mit Kellnerjobs über Wasser. Heute besitzt er eine Kneipe in der Altstadt und hat eine Vorliebe für studentische Aushilfskellnerinnen. Ganz der Vater, könnte man sagen.»
    «Wieso glaubst du eigentlich, dass du ungestraft meinen Vater beleidigen kannst?», frage ich aufmüpfig.
    «Das hier ist nicht dein Vater», erwidert Abel prompt. «Du existierst in dieser Welt überhaupt nicht, deshalb musst du dich auch nicht auf den Schlips getreten fühlen, wenn ich mich über Leute lustig mache, mit denen du eigentlich nichts zu tun hast.»
    Zugegeben, gutes Argument.
    Bartholomäus Jakobi nimmt den letzten Schluck Orangensaft. Er trägt das Glas zur Spüle und stellt die Flasche zurück in den Kühlschrank. Beim Gehen löscht er das Licht. Man hört seine Schritte auf der Treppe. Das leise Knarren einer Tür, dann endgültig Stille.
    Eine Weile passiert nichts.
    «Überlegst du gerade, ob du tatsächlich wissen willst, was aus deiner Mutter und deinem Bruder geworden ist?», fragt Abel in die Dunkelheit.
    «Ja», antworte ich. «Das war gerade schwerer, als ich gedacht hätte.»
    «Ich weiß. Wie gesagt, du kannst jederzeit aussteigen.»
    Wieder Schweigen.
    «Lass uns zuerst Jonas einen Besuch abstatten», bitte ich.
    «Wie du willst.» Abel klatscht in die

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