Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und hinter dir die Finsternis

Und hinter dir die Finsternis

Titel: Und hinter dir die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
verminderten Bewusstseins, diese Verbrechen verübt hatte, derer man ihn beschuldigte? Schließlich, wenn er es selbst glaubte, wie konnte ich mich dann immer noch gegen die Wahrheit stemmen?
Natürlich stürzten mich diese Gedanken in ein furchtbares Dilemma.
    Ich malte mir aus, wie es meinem Vater in den letzten Wochen seines Lebens ergangen war. Als ewiger Perfektionist wollte er unbedingt, dass der letzte Teil seines Gesamtentwurfs für das Anwesen vollendet würde, auch wenn er die Arbeit nicht mehr selbst ausführen durfte.
    Laut Polizeibericht war der Hieb auf seinen Kopf so heftig gewesen, dass ihm der Schädel eingeschlagen wurde. War Peter derjenige gewesen, der einen schweren Gegenstand gehoben und ihm diesen Schlag versetzt hatte?
    Dann tauchten wieder gute Erinnerungen an meinen Vater auf, Erinnerungen, die ich lange Zeit unterdrückt hatte, weil ich mich von ihm verlassen gefühlt hatte.
    Erinnerungen wie: sonntagmorgens, wenn er nach der Kirche mit mir zum Ponyreiten in den Van Saun Park ging.
    … Wie wir in unserer Küche gemeinsam kochten und er mir erzählte, dass Maggie absolut nichts vom Kochen verstand und meine Mutter erst lernen musste, wie man nach Rezept kocht, damit wir nicht verhungern mussten. Lieber Dad, Maggie steht immer noch mit dem Kochen auf Kriegsfuß, dachte ich.
    … Der Brief, den er an Peter geschrieben hatte: »Ich habe die Gespräche mit Ihnen immer sehr genossen und ich wünsche Ihnen alles Gute.«
    … Der Tag, an dem ich mich in dieses Haus geschlichen hatte und zur Kapelle hinaufgegangen war.
    Gerade in dieser Zeit wurde es für mich fast zu einer täglichen Gewohnheit, die Kapelle aufzusuchen. Sie hat sich in all den Jahren nicht verändert. Die Figur der heiligen Jungfrau Maria, von der die Farbe abblättert, steht noch dort, ebenso der Tisch, der als Altar gedient haben musste, und die beiden Reihen von Sitzbänken. Ich hatte nur die elektrische Votivkerze vor der Marienfigur erneuert. Ich setzte mich zehn oder fünfzehn Minuten in eine Bank, halb betete
ich, halb dachte ich an den kurzen Streit, den ich damals, vor zweiundzwanzig Jahren, mitgehört hatte.
    Und es war dort, dass sich allmählich ein Gedanke in meinem Kopf festsetzte. Bislang war mir nie in den Sinn gekommen, dass es sich bei der Frau, die um Geld gebettelt hatte, um Susan Althorp gehandelt haben könnte. Ihre Familie war wohlhabend. Ich hatte gelesen, dass ein großes Treuhandvermögen auf ihren Namen eingetragen war.
    Aber angenommen, es ist doch Susan gewesen? Wer war dann der Mann, der ihr höhnisch ins Gesicht gesagt hatte: »Es ist immer das alte Lied»? Als sie die Kapelle verlassen hatte, hatte der Mann den Refrain dieses Liedes vor sich hin gepfiffen. Selbst als Kind hatte ich die außerordentliche Wut des Mannes gespürt.
    Es war in der Kapelle, dass ich eine verzweifelte Hoffnung fasste: dass es doch noch eine andere Erklärung gab, dass ich eine andere Lösung finden würde für die Verbrechen, die man Peter zur Last legte.
    Ich scheute davor zurück, Peter von diesen Gedanken zu erzählen. Wenn er mir folgte und wieder an seine vollkommene Unschuld glaubte, dann lag der Gedanke nahe, dass der wahre Täter vielleicht noch in meiner Nähe war. Und dann würde er sich wieder Sorgen um mich machen.
    Obwohl Peter an der Vorbereitung seiner Verteidigung mitwirkte, hatte ich beim aktuellen Stand der Dinge das Gefühl, die Anwälte hatten ihn letztlich zu der Überzeugung gebracht, dass er sich keinerlei Hoffnung mehr machen konnte und nichts anderes als ein Schuldspruch zu erwarten war. Bei meinen Besuchen drängte er mich, in eine andere Stadt zu ziehen und mich heimlich scheiden zu lassen. »Kay, in gewisser Weise sitzt du genauso in einem Gefängnis wie ich«, sagte er. »Mir ist völlig klar, dass du nirgendwohin gehen kannst, ohne dass die Leute dich anstarren und über dich reden.«
    Ich liebte ihn für seine Fürsorglichkeit. Er saß in einer
engen Zelle und sorgte sich darum, dass ich mich im Herrenhaus eingesperrt fühlen könnte. Ich erinnerte ihn daran, dass wir eine Abmachung getroffen hatten. Ich durfte ihn im Gefängnis besuchen und bei seinem Prozess anwesend sein. »Also lass uns nicht die wenige Zeit verderben, die wir zusammen verbringen dürfen, und hör auf davon zu reden, dass ich dich verlassen soll«, sagte ich zu ihm. Natürlich hatte ich nicht die Absicht, mich an meinen Teil unserer sogenannten Abmachung zu halten. Ich wusste, dass ich mich, auch wenn Peter schuldig

Weitere Kostenlose Bücher