Und hinter dir die Finsternis
ich ihr das nicht erzählt? Vielleicht, weil ich intuitiv ahnte, dass sie es nicht gutheißen würde, und nachdem er mir die Abfuhr erteilt hatte, sah ich keine Notwendigkeit mehr, darüber zu sprechen. Maggie war überzeugt davon, dass Peter Carrington für das Verschwinden von Susan Althorp verantwortlich war und dass er auch beim Tod seiner Frau die Hand im Spiel gehabt haben könnte. »Er muss ja seine Frau nicht unbedingt ins Becken gestoßen haben, Kay«, hatte sie mir erklärt, »doch vielleicht hat er gesehen, wie sie hineinfiel, und ich möchte wetten, dass er keinen Finger gerührt hat, um sie zu retten. Und was Susan betrifft: Er war derjenige, der sie nach Hause gefahren hat. Für mich ist sie danach heimlich aus dem Haus geschlichen, um sich mit ihm zu treffen, als ihre Eltern glaubten, sie sei zu Bett gegangen.«
Maggie war 1932, als das Lindbergh-Baby entführt wurde, acht Jahre alt, und sie hält sich in dieser Sache für die weltweit führende Expertin, genauso wie in der Sache des Verschwindens von Susan Althorp. Schon als ich noch ein
kleines Mädchen war, hatte sie mit mir über die Lindbergh-Entführung gesprochen, hatte mich darauf hingewiesen, dass Ann Morrow Lindbergh, die Mutter des Kindes, in Englewood aufgewachsen war, keine Meile von unserem Haus entfernt, und dass Annes Vater, Dwight Morrow, Botschafter in Mexiko gewesen war. Susan Althorp war ebenfalls in Englewood aufgewachsen, und ihr Vater war Botschafter in Belgien gewesen. In den Augen von Mary waren die Parallelen offensichtlich – und erschreckend.
Die Lindbergh-Entführung war einer der sensationellsten Kriminalfälle des zwanzigsten Jahrhunderts. Das Baby und das glamouröse Traumpaar und die vielen ungelösten Fragen. Wie hatte Bruno Hauptmann in Erfahrung bringen können, dass die Lindberghs an jenem Abend beschlossen hatten, in ihrem neuen Landhaus zu bleiben, weil sich das Kind erkältet hatte, statt wie ursprünglich beabsichtigt zum Anwesen der Morrows zurückzukehren? Wie konnte Hauptmann so genau wissen, wo er die Leiter aufstellen musste, um das offene Fenster des Zimmers zu erreichen, in dem das Baby lag? Maggie suchte immer nach irgendwelchen Gemeinsamkeiten in den beiden Fällen. »Die Leiche des Lindbergh-Babys ist durch Zufall entdeckt worden«, hatte sie mir einmal erklärt. »Das war natürlich schrecklich, doch wenigstens musste die Familie nicht den Rest ihres Lebens mit der Angst leben, dass das Kind womöglich irgendwo bei einem Fremden aufwächst, der es vielleicht auch noch schlecht behandelt. Wahrscheinlich wacht Susan Althorps Mutter jeden Morgen mit der quälenden Frage auf, ob dies der Tag sein wird, an dem das Telefon klingelt und ihre Tochter sich am anderen Ende meldet. Ich weiß genau, dass es mir so ergehen würde, wenn mein Kind spurlos verschwunden wäre. Wenn man ihre Leiche gefunden hätte, gäbe es wenigstens ein Grab, zu dem Mrs. Althorp gehen könnte.«
Maggie hatte schon seit Langem nicht mehr über den Althorp-Fall gesprochen, doch vielleicht hatte sie die Ausgabe
von Celeb mit Peter Carrington auf dem Titel an einer Supermarktkasse entdeckt und sofort gekauft. Das würde auch erklären, weshalb sie so heftig auf die Nachricht reagiert hatte, dass ich bei ihm gewesen war.
Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Maggie, ich hab Hunger. Lass uns irgendwo Nudeln essen gehen. Ich lad dich ein.«
Als ich sie eineinhalb Stunden später wieder vor ihrem Haus absetzte, zögerte sie kurz und sagte: »Kay, komm doch noch mal mit rein. Ich möchte zu dieser Veranstaltung. Ich schreibe dir einen Scheck für eine Eintrittskarte aus.«
»Aber Maggie, das ist doch Wahnsinn«, protestierte ich. »Das ist doch viel zu viel Geld für dich.«
»Ich möchte aber hingehen«, entgegnete sie. Ihre entschlossene Miene erstickte jeden weiteren Widerspruch im Keim.
Ein paar Minuten später fuhr ich über die George-Washington-Brücke zurück zu meiner Wohnung, ihren Scheck in meiner Geldbörse. Mir war klar, warum sie darauf bestanden hatte, an der Veranstaltung teilzunehmen. Maggie hatte sich zu meinem persönlichen Bodyguard ernannt für die Zeit, die ich unter dem Dach der Carringtons verbringen würde.
4
WÄHREND SIE AUF DIE Ankunft ihres Besuchers wartete, betrachtete Gladys Althorp das Bild ihrer verschwundenen Tochter. Es war auf der Terrasse des Carrington-Herrenhauses aufgenommen worden, an dem Abend, an dem sie spurlos verschwunden war. Sie trug ein Abendkleid aus weißem Chiffon, das ihre
Weitere Kostenlose Bücher