Und hinter dir die Finsternis
darauf hindeutete, dass ihm bewusst war, wie sehr ich ihn brauchte. Ich frage mich manchmal, ob er mir vielleicht die Schuld an Mutters Tod gab, ob er vielleicht die Vorstellung hatte, ich hätte ihr das Leben aus dem Leib gesaugt. Doch selbst wenn es so wäre, hat er mich das nie merken lassen. Ich habe ihn sehr innig geliebt, und er schien mich immer genauso geliebt zu haben. Ein Kind weiß so etwas. Seine Leiche ist nie gefunden worden.
Ich entsinne mich noch, wie wir zusammen das Abendessen zubereiteten, wenn er mich von Maggie abgeholt hatte. Oft sprach er von meiner Mutter. »Kathryn, du weißt ja, dass Maggie nicht gerade eine große Köchin ist«, sagte er einmal. »Deshalb hat deine Mutter sich aus purer Verzweiflung ein Kochbuch gekauft, um es sich selbst beizubringen. Wir haben früher oft zusammen neue Rezepte ausprobiert, und jetzt machen wir es genauso, du und ich.«
Ein andermal sagte er: »Weißt du, sie hätte alles dafür gegeben, um erleben zu können, wie du aufwächst. Schon Monate vor deiner Geburt hatte sie die Wiege neben unserem Bett aufgestellt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel dir entgangen ist, weil du sie nicht mehr erleben durftest.«
Nie werde ich ihm ganz verzeihen können, dass er nicht an all das gedacht hat, als er seinen Wagen am Steilufer hoch über dem Hudson parkte und auf den Rand der Klippen zuschritt.
Diese und andere Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich von der Bücherei zu Maggies Haus fuhr, um ihr die Neuigkeit zu erzählen. Auf ihrem kleinen Rasenstück steht ein wunderschöner roter Ahorn. Er verleiht dem ganzen Ort seine besondere Note. Mit Bedauern stellte ich fest, dass der
Wind gerade die letzten Blätter von den Zweigen riss. Ohne sein Blätterdach wirkte das Haus irgendwie ungeschützt und fast ein bisschen unwirtlich. Es ist ein eingeschossiges Haus im Cape-Cod-Stil, mit einem nicht ausgebauten Dachboden, in dem Maggie den gesammelten Krempel aus ihren dreiundachtzig Lebensjahren aufbewahrt. Schachteln mit Fotos, die sie nie geschafft hat, in ein Album einzukleben, Schachteln mit Briefen und gesammelten Weihnachtskarten, die sie in ihrem Leben nie mehr durchsehen wird, die Möbel, die sie damals durch diejenigen aus dem Hause meiner Eltern ersetzte, von denen sie sich jedoch trotzdem nicht vollständig trennen konnte, Kleider, die sie seit zwanzig oder dreißig Jahren nicht getragen hat.
Im Erdgeschoss ist es nicht viel besser. Alles ist sauber, doch es genügt, dass Maggie ein Zimmer betritt, um sofort Unordnung zu schaffen. Ihr Pullover liegt auf einem Stuhl, die Zeitungsartikel, die sie noch lesen will, auf einem anderen. Neben ihrem bequemen Sessel stapeln sich die Bücher. Die Rollos, die sie jeden Morgen hochzieht, hängen immer schief. Die Hausschuhe, die sie überall sucht, finden sich eingeklemmt zwischen Sessel und Fußpolster. Es ist richtig gemütlich bei ihr.
Nach den strengen Maßstäben von Martha Stewart würde sie niemals als gute Hausfrau durchgehen, obwohl sie sehr viel von ihr hält. Um mich großzuziehen, gab sie ihre Anstellung als Lehrerin auf, doch immer noch erteilt sie jede Woche drei Kindern Nachhilfeunterricht. Und sie hat die Gabe, Lernen zu einer lustvollen Sache zu machen, wie ich am eigenen Leib erfahren habe.
Doch als ich sie begrüßte und ihr die Neuigkeit erzählte, blieb die erwartete Begeisterung aus. Sobald ich den Namen Carrington erwähnt hatte, gab sie sich ablehnend.
»Kay, du hast mir gar nicht erzählt, dass du sie bitten wolltest, die Veranstaltung in ihrem Haus abhalten zu dürfen.«
Maggie hat in den letzten Jahren ein paar Zentimeter an
Körpergröße eingebüßt. Sie pflegt darüber scherzend zu sagen, dass sie allmählich verschwinde, doch als ich jetzt auf sie hinunterblickte, hatte sie plötzlich etwas geradezu Furchteinflößendes an sich. »Maggie, es ist doch eine tolle Idee«, versuchte ich einzuwenden. »Ich bin schon auf einigen solchen Festen gewesen, die in Privathäusern stattfanden, und sie waren immer ausverkauft. Und das Haus der Carringtons ist so bekannt, das muss die Leute einfach anlocken. Wir werden dreihundert Dollar für eine Eintrittskarte verlangen. Das würden wir an einem anderen Ort nie und nimmer bekommen.«
Doch dann begriff ich, dass Maggie besorgt war, zutiefst besorgt. »Maggie, Peter Carrington war wirklich äußerst zuvorkommend, als ich bei ihm war, um die Sache zu besprechen.«
»Du hast mir gar nicht erzählt, dass du bei ihm warst.«
Warum hatte
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