... und ich höre doch!: Ein technologisches Abenteuer zwischen Silicon Valley und den Alpen (German Edition)
Charlie“, der es cool fand, wie John Travolta auf dem Campus herumzuspazieren, was natürlich ein Denkfehler war, denn die Disco-Mode war schon wieder vorbei. Trotzdem stolzierte Charlie in schwarzen Hosen, einem schwarzen Hemd, einer schwarzen Lederweste und vier Inches hohen, schwarzen Stiefeln über den Campus. Er lebte in seiner eigenen Welt und war zufrieden damit, anders zu sein.
Was immer unsere Strategien gewesen sein mögen, im Grunde hassten wir unsere Behinderung. Die meisten von uns ließen sich die Haare wachsen, um die Hörgeräte zu verstecken (wenn wir sie überhaupt trugen), und wir alle übten Lippenlesen und arbeiteten daran, unsere Aussprache zu verbessern. Mr. Day sprach mit unseren Lehrern, und schon mussten wir in der ersten Bank sitzen. Vier Jahre High School, wieder in der ersten Bank!
Mr. Day und meine Mutter trafen sich am ersten Tag nach der Schule, um meine Fächer zu besprechen. Meine Mutter war beunruhigt, denn in meinem Stundenplan fanden sich Kurse wie Metallarbeit, Mechanik, Holzarbeit, Elektronik und Skizzieren Stufe II . Offensichtlich war etwas schiefgelaufen. Da ich auf den Formularen als taub angeführt war, hatte mein Studienberater offenbar beschlossen, mich in möglichst viele praktisch orientierte Kurse zu stecken, damit ich mich für einen Industriejob qualifizieren könnte. Daraus schloss meine Mutter nicht ganz zu Unrecht, dass ich auf eine Arbeit als Automechaniker, Stahlarbeiter oder für sonstige industrielle Schwerarbeit vorbereitet werden sollte. Viele meiner HOH -Klassenkameraden landeten auch in Jobs wie Bodenverleger, Automechaniker, Bestatter etc., alles Berufe, in denen Hörvermögen nicht besonders wichtig war.
Also machten meine Mutter und Mr. Day der Administration die Hölle heiß, und bald verschwanden die praktischen Kurse von meinem Stundenplan und wurden durch die allgemeinen, anspruchsvolleren Kurse wie Biologie, Physik, Englisch und Mathematik ersetzt. Zum Glück durfte ich Entwerfen und Elektronik behalten. Mein Lehrer, Mr. McCollum, war ein hervorragender Elektroniker und selbst schon eine Silicon-Valley-Legende. Steve Wozniak war einer seiner Starschüler und arbeitete als Assistent in diesem Kurs. Ich glaube auch mich zu erinnern, Steve Jobs im Elektroniklabor der Homestead High School gesehen zu haben, bin mir aber nicht sicher, denn ich sah ihn auch im Computergeschäft und bei Haltek Elektronik. Es ist schwer zu glauben, dass es nichts Besonderes war, diese Leute zu treffen, aber wer konnte das damals schon wissen.
Alle HOH -Schüler waren vom Fremdsprachenunterricht an der Homestead High School entbunden. Man dachte, es wäre schon schwer genug für uns, Englisch zu verstehen und zu sprechen, also wäre eine Fremdsprache zu viel und würde sogar unsere Fortschritte in Englisch torpedieren, wie manche Experten meinten. Ich verstehe ihren Standpunkt: warum all das in Englisch Erreichte aufs Spiel setzen durch Herumexperimentieren in einer anderen Sprache?
Heute kenne ich allerdings eine junge Frau mit einem Cochlea-Implantat, die drei Sprachen spricht. Da ich früher nie mit einer Fremdsprache konfrontiert war, fällt es mir jetzt, da ich in Österreich lebe, schrecklich schwer, Deutsch zu lernen. Hätte ich schon früher gelernt, mich mit Alternativen zum Englischen auseinanderzusetzen, hätte mir das sehr wohl helfen können, bessere Deutschkenntnisse zu entwickeln. Nach sechs Jahren in Österreich spreche ich noch immer sehr schlecht Deutsch. Wahrscheinlich könnte mir nur ein Einzeltraining helfen, in dieser Hinsicht eine Verbesserung zu erzielen.
Mr. Day ließ mich in seinem Kurs das Standardprogramm absolvieren, ich arbeitete aber auch mit einem Sprachspezialisten und anderen Trainern, je nach Bedarf. Hatte ich Schwierigkeiten mit einem Lehrer oder Fach, organisierte er zusätzliche Hilfe für mich, manchmal mit einem Tutor, aber meist mit einem älteren Schüler. Er stellte mir auch sofort fortgeschrittene Schreib- und Leseaufgaben. Ich bekam ein Buch zu lesen, musste dazu eine Zusammenfassung oder einen Vergleich mit anderen Büchern und Autoren schreiben, dann hatten wir eine Diskussion darüber, worauf ich eine Note erhielt. Die ersten Bücher waren sehr einfach und ich hatte in einer Woche alles erledigt, was Mr. Day zunächst sehr erstaunte.
„Hast du das wirklich alles so schnell gelesen?“, fragte er.
„Klar, Mr. Day.“
„Aber wie?“
„Es macht mir einfach Spaß, das ist alles.“ Ich verstand nicht ganz, warum er
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