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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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hinauf und ließ dabei meine Hand auf dem gummiartigen, roten Geländer liegen, sodass ich beim Hinaufgehen das Gefühl hatte, an der eigenen Hand unbeteiligt vorüberzugehen, bis ich sie hinter mir her zog und vor mir wieder ablegte. Wenn es ganz ruhig war, konnte man hören, wie sich die Haut von der Plastikoberfläche löste. Die Stufen waren viel flacher als die bei uns in den Häusern im Zentrum, die Bodenplatten waren aus marmoriertem Stein und strahlten im Sommer ganz kühl, sodass ich mich manchmal, wenn es drinnen am Kaffeetisch und bei den Gesprächen der Erwachsenen langweilig wurde, in den Hausflur verzog, auf den Treppen saß und durch dasgroße Fenster auf dem Treppenabsatz zwischen zwei Etagen schaute. Manchmal reflektierten die großen Flächen der Plattenbauten das Licht so, dass es mich blendete. Und irgendwann kam jemand und rief mich herein.
    An diesem Tag rief uns niemand. Eine Tür stand offen, im Flur roch es nach Essen, es klirrte Geschirr, man hörte Menschen leise reden. Friedrich war nicht mit nach oben gekommen. Wir hatten uns am Auto verabschiedet, ohne uns anzusehen. Und ich wusste, dass ich ihn nur hätte fragen müssen, ob er mitkommt. Aber manche Dinge sollte man von allein tun. Nach manchen Dingen sollte man nicht fragen müssen. »Ich ruf dich an«, sagte er, und ich nickte in Richtung Bordsteinkante. Neben uns hielt gerade wieder ein Auto, aus dem dunkel gekleidete Menschen stiegen. Dann verschwanden wir im Hausflur.
    Und nun standen wir in der Wohnung von Tims Eltern, ein bisschen unbeholfen. Mir war, als würde es nach Chlor riechen zwischen der Bratensoße und dem Kaffee. Auf der Anrichte vor dem Spiegel stand eine geblümte Schachtel mit Taschentüchern. Niemand hatte sie angerührt, die Plastikfolie war noch unangetastet. Vom Flur gingen mehrere Türen ab, in ein paar Zimmern standen Menschen. Die Männer hatten ihre Jacken ausgezogen, die Frauen fächelten sich Luft zu. Im Zimmer neben der Garderobe stand niemand. Durch das Fenster am hinteren Ende konnte man in die Krone eines Baumes sehen. Auf dem gemachten Bett lagen ein paar zusammengelegte Sachen, davor standen drei Umzugskisten mit aufgeklappten Deckeln. Über dem Schreibtisch eine Pinnwand mit Basketballkarten und Zetteln. Undals ich die Weltkarte über dem Bett hängen sah, erschrak ich kurz. Es war Tims altes Kinderzimmer. Lene kam mit zwei Tellern Salat aus der Küche, drückte mir einen davon in die Hand und vermied den Blick in den stillen Raum mit dem Baum vor dem Fenster. »Ich war noch nicht drin«, sagte sie auf dem Weg ins Wohnzimmer. Wir standen dann auf dem Balkon und sahen auf die Linde, die man auch vom Zimmer nebenan sehen konnte. Lene spießte eine Cocktailtomate auf ihre Gabel und steckte sie in den Mund. Es hatte aufgehört zu regnen, die Luft war frischer jetzt. Immer wieder umrundeten ein paar Menschen in dunklen Anzügen und Kleidern die Pfützen vor dem Haus. Hin und wieder kam jemand und legte Lene eine Hand auf die Schulter zum Abschied. »Ich kenne fast niemanden«, sagte sie und wischte mit der Fingerkuppe Salatsoße vom Rand des Tellers. »Aber alle kennen mich.«

    Zwei Stunden saßen wir auf dem großen Sofa, Lene in unserer Mitte, Vince und ich daneben. Wir stocherten im Essen herum, das Tims Mutter vor uns abstellte. Darin hatte sie ihre Aufgabe gefunden für diesen Nachmittag. Sie trug Schüsseln und Töpfe herum, räumte unermüdlich den Geschirrspüler ein und aus, während Tims Vater einfach nur auf dem Balkon stand, egal, ob es gerade regnete oder nicht. Er stand dort in seinem weißen Hemd und schaute hinunter und sein Nacken machte Falten. Neben ihm stand unangetastet ein Teller mit Bratenfleisch und Kartoffeln. Einmal schnäuzte er sich und legte das Taschentuch unachtsam undohne hinzuschauen direkt in die Soße. Die Wohnung leerte sich, und plötzlich stand Lene auf, atmete einmal tief durch und ging aus dem Zimmer. Nebenan wurde eine Tür geschlossen. Mein Herz klopfte. Wir warteten, ich weiß nicht, wie lange, bis Vince irgendwann ebenfalls aufstand und mir winkte, ihm zu folgen. Ich war es dann, die an Tims Zimmertür klopfte und sie langsam öffnete. Lene saß auf dem Bett, die rechte Hand lag auf den zusammengelegten Kleidungsstücken, die andere in ihrem Schoß. Sie saß dort nur und hatte nasse Wangen. »Ich glaube, ich kann nichts mitnehmen«, sagte sie. »Ich kann mir nichts aussuchen, keine kleine Sache, keinen Pullover. Zuhause hab ich noch ein paar T-Shirts von ihm,

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