Und immer wieder Liebe Roman
sehen, wie entspannend das ist.«
»Ich bin aber doch entspannt. Ist das nicht ein bisschen melodramatisch, wenn eine Mutter den ersten Joint ihres Lebens mit ihrem Sohn raucht? Muss das wirklich sein?«
»Mama, es ist doch nur ein wenig Gras, um uns von dieser deprimierenden Stimmung zu befreien. So, jetzt gehe ich mich aber wirklich erst einmal waschen. Ich stinke nach Carlotta, und das gefällt mir nicht.«
Ich begebe mich an den Herd und versuche, mich an meine spärlichen Kochkünste zu erinnern. Spaghetti all’olio mit Bottarga, das Gabriella aus Sardinien mitgebracht hat. Mit vierundfünfzig
den ersten Joint zu rauchen, ist definitiv ein Schritt in Richtung Emanzipation.
An diesem Abend haben wir lange geredet, über ihn, über sie, über seine Träume, über seinen Wunsch, Städteplaner zu werden und nicht Architekt. Ich habe versucht, ihn zu trösten. Vielleicht ist es mir gelungen, auch dank des Joints, der bei mir keinerlei Wirkung gezeigt hat. Seit jenem Schneesturm im Jahr 2003 habe ich keine einzige Zigarette mehr geraucht. Kurz bevor ich selbst ins Bett gegangen bin, habe ich ihm noch gute Nacht sagen wollen. Und dass ich stolz auf ihn bin. Das ist es, was ich für diesen Jungen empfinde, der nicht die nötige Angst vor Gefühlen hat, um schwere Verletzungen zu vermeiden. Aber er schlief leider schon.
Bevor ich Buchhändlerin wurde, dachte ich immer, dass es für Schriftsteller eine Ehre sein müsse, der Öffentlichkeit ihre Bücher vorzustellen. Mit der Zeit habe ich jedoch begonnen, sie mit »normaleren« Augen zu betrachten. Auch Schriftstellerinnen haben Kinder, die sie bei Eltern oder Nachbarn unterbringen müssen, auch Schriftstellerinnen laufen nachts die Babysitter weg, auch Schriftstellerinnen finden sich mit Ehemännern wieder, die sie wie irgendeine beliebige Frau behandeln und mit einem »Du schaffst das schon« und einem flüchtigen Küsschen aus dem Hause eilen. Auch sie müssen Versicherungen bezahlen und haben Beziehungsprobleme, und ihre Romane sind nicht notwendigerweise autobiografisch. Heute habe ich die Rosen beiseitegestellt und die Körbe mit weißen Tulpen gefüllt. Ich habe Kerzen mit Vanilleduft angezündet, die den Blüten jenen Duft geben, den sie nicht von Natur aus haben, wie mir aufgefallen ist. Sie sind ein bisschen wie diese gut bestückten, muskulösen Männer, die Borghetti vor Gaston gefallen haben.
Die Begegnung zwischen den Lesern und Catherine Dunne ist soeben zu Ende gegangen, und ich bin hochzufrieden. Die Bilanz ist gut: zweiundsechzig verkaufte Bücher und eine fast surreal häusliche Atmosphäre im Gasthaus. Meine Kundinnen haben sie wie eine Eheberaterin behandelt und ihr eine Menge leicht peinlicher Fragen gestellt. Ihr Buch In The Beginning ist eine Art Manifest der verlassenen Frau zwischen Kochtopf und Wasserkessel, eine Mixtur aus Reflexion und Unabhängigkeitsdrang. So ein Bestseller kann einem schon zu Kopfe steigen, aber die Schriftstellerin (»Nennen Sie mich Catherine«) ist eine einfache Frau, hat feine blonde Haare, eine blasse, mit Sommersprossen überzogene Haut und war heute wie eine Frau aus der Provinz angezogen. Es fällt nicht schwer, sie sich in ihrem Häuschen im grünen Irland vorzustellen, wo sie in einer Baumwollschürze die Rosen beschneidet. Sie ist eine leichtgewichtige Frau – genau wie ihre Romane.
Sorgfältig schreibt sie ihren Namen in die Bücher, findet für jeden Kunden einen anderen Satz und entscheidet sich nicht für »In Wertschätzung«. Wieso sollte eine Schriftstellerin einen Kunden schätzen, nur weil er einen ihrer Romane kauft? Wertschätzung ist eine ernsthafte Angelegenheit und entsteht in jahrelangem Umgang. Catherine wurde mit Fragen zur Zukunft von Rose bombardiert und hat versprochen, dass sie im nächsten Roman endlich ihre Revanche bekommt.
»Verliebt sie sich in einen anderen?«
»Und was für ein Ende nimmt Ben, dieser Bastard?«
»Und was machen die Kinder?«
Catherine bringt nichts aus der Fassung. Vielleicht kommt es ihr ganz normal vor, dass ihre Romanfiguren wie Nachbarn behandelt werden. Bei Shakespeare würde das nicht passieren, was zeigt, dass die zeitgenössische Literatur durchaus Tiefgang hat
und bessere Antworten bereithält als irgendein Ratgeber zu Beziehungsfragen.
Und das für nur vierzehn Euro fünfzig.
»Hm, das Ende kann ich nicht verraten. Ich würde Ihnen doch die Spannung nehmen. Es war übrigens Rose höchstpersönlich, die mich gefragt hat, warum ich ihre
Weitere Kostenlose Bücher