Und immer wieder Liebe Roman
Geschichte nicht zu Ende erzählt habe.«
Ihr zu Ehren gibt es Tee und Kekse. Die Buchhandlung riecht nach Vanille. Und nach Arbeit an der Liebe.
Die Monate vergehen, und meine Waffe ist nach wie vor mein kurzes Gedächtnis. Heute ist kein großartiger Tag, obwohl schon wieder das Weihnachtsfest vor der Tür steht. Es hat die ganze Nacht geschneit; der Platz ist ein Plätzchen mit Zuckerguss, und mir gleitet die Situation aus der Hand. Mein Leben fährt einen Zickzackkurs, um es kurz zu machen. Soeben habe ich mit Gilles’ Frau von Madeleine Bourdouxhe angefangen: Eine Frau mit leicht masochistischen Tendenzen ist allzu sehr in ihren untreuen Ehemann verliebt, der eine schamlose und kranke Beziehung mit ihrer aufreizenden, aber unsicheren Schwester hat. Der Roman wird in einer Tragödie enden, das spüre ich, obwohl ich erst auf Seite zwölf bin, an der Kasse sitze und entschlossen bin, heute absolut nichts zu tun. Ich warte auf die Jugend. Seit Wochen liegt sie mir mit der Playlist für die Beschallung der Buchhandlung in den Ohren. Ich spreche hartnäckig von »Hintergrundgedudel«und sehe auch keinen Grund, das zu ändern. Mich nervt Musik in Buchhandlungen und Cafés, weil man sich mit seinem Nachbarn nicht mehr unterhalten kann, es sei denn, man schreit und lässt alle Anwesenden an seinen Angelegenheiten teilhaben. In den großen Läden kommt man sich vor wie in einer Hotelhalle oder am Flughafen. Meine Chancen stehen aber nicht optimal
– seit Manuele und Alice geheiratet haben, sind sie deutlich selbstbewusster und verbünden sich gerne einmal mit Mattia. Lust&Liebe brauche unbedingt – das haben sie wörtlich gesagt – eine eigene Musik. Ihre , nicht meine. Adieu, Stille und heilsame Einsamkeit. Ich werde mich aber auf keine Diskussion einlassen. Solange ich Chefin bin, wird es weder hier noch im Gasthaus Musik geben.
»Für die Musik sorgen schon die Buchseiten. Nehmt euch ein Buch, blättert es schnell durch, und schon werdet ihr merken, wie es rauscht, und was für einen wunderbaren Klang frisches Papier hat.«
»Was redest du denn da? Bücher haben keinen Klang. Lass uns mit einer Playlist von Liebesliedern beginnen, dann können wir sehen, wie es wirkt. Stereoanlagen kosten doch kaum noch etwas. Jetzt komm schon, Emma.«
»Völlig ausgeschlossen. Solange ich lebe, wird es euch niemals gelingen, dieses Geschäft in eine Diskothek zu verwandeln. Nein, nein und nochmals nein.«
»Wieso denn Diskothek? Wir reden von Hintergrundmusik , berühmte Liebeslieder, dazwischen vielleicht auch mal ein paar klassische Stücke – Chopin, Debussy, Ludovico Einaudi. Natürlich nehmen wir keine Rockmusik und auch keine Schlager.«
Sie sind von ihrer Idee besoffen oder, wie Mattia sagen würde, zugedröhnt. Ich schiebe es auf die allgemeine Überarbeitung: In den letzten Wochen waren wir zu fünft im Laden, und wenn man mal von diesen unwirklichen Stunden jetzt absieht, war es eine einzige Strapaze. Ich habe sogar die schönen Bildbände verkauft, die man sonst nie loswird, und raue Mengen an Tassen, Blumen und Kerzen (die neuen, aus Paris importierten Duftkerzen für das Ambiete der liaisons dangereuses sind schon ausverkauft). Ungewöhnliche Einnahmen verzeichne ich auch für das Gasthaus. Seit
Betriebsessen wieder in Mode gekommen sind, vermieten wir das Lokal manchmal für Umtrunke. Heute Abend haben die badge- Leute reserviert, fünfunddreißig Personen, denen wir sogar Alkohol servieren, den köstlichen Wein von Donnafugata zum Beispiel. Das ist der literarischste Wein, den ich gefunden habe, und ich verkaufe ihn zusammen mit Der Leopard, diesem Evergreen. Auf Wunsch auch mit DVD.
10. April 2006
»Ich kümmere mich um alles. Du musst nur das Videogerät bereitstellen«, hatte sie am Telefon in einem Tonfall gesagt, den ich so gar nicht von ihr kenne und der keinen Widerspruch duldet.
Es ist Montag. Ich bin vollkommen ruhig. Ich habe die übliche Wanne mit den üblichen Lavendelessenzen gefüllt, bin eine halbe Stunde darin liegen geblieben und warte jetzt auf Gabriella, die sich um die Verpflegung kümmert. Was das Videogerät betrifft, frage ich mich allerdings, ob ich damit klarkomme. Es gehört Mattia, und der hat sich vor einer Woche, ohne irgendwelche Instruktionen zu hinterlassen, verabschiedet. Tatsächlich habe ich das Gerät noch nie benutzt, denn wenn ich einen Film sehen will, gehe ich an den dafür vorgesehenen Ort: ins Kino. Wir werden alleine sein, Gabriella und ich, wie in den guten
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