Und immer wieder Liebe Roman
alten Zeiten. Nur sie und ich. Vor dem Fernseher. Alberto macht Steuererklärungen und zwingt die Leute aus seinem Büro zu unmenschlichen Arbeitszeiten. Spätnachts kommt er dann nach Hause, und ich kann mir nicht verkneifen zu denken: ›Wer weiß, ob das alles so stimmt‹. Ich misstraue mittlerweile auch denen, die über jeden Verdacht erhaben sind.
»Wir zeichnen ihn sicherheitshalber auf, für den Fall, dass wir ihn noch einmal sehen wollen. Vielleicht schlafen wir auch ein, und dann fehlt uns ein wichtiges Stück«, sagt sie und legt ein elegantes Paket von Zen, einem Sushi-Restaurant, auf die Bücher (Hilfe).
»Das hat mich ein Vermögen gekostet, aber so müssen wir wenigstens
nicht am Herd stehen. Alles beste Qualität, und davon reichlich. Würde es dir etwas ausmachen, die Bücher ein wenig zur Seite zu räumen?«
Als würde ich ausgerechnet heute Abend einschlafen! Das Leben knallt dir etwas hin und stellt dich vor die Entscheidung, ob du es ignorierst oder ihm die Stirn bietest. Ich bin stark und lasse mir Zufälle nicht entgehen. Ganz ruhig sitze ich auf dem Sofa und warte. Wenn man von seltenen Ausnahmen wie Live-Übertragungen aus der Scala oder alten Schwarzweißfilmen mit Bette Davis einmal absieht, hat das Fernsehen keinerlei Wirkung auf meine emotionale Verfassung. Es berührt mich einfach nicht.
Heute läuft Kalte Fusion von Charlie Rose. Sechsundsechzig Minuten, gewidmet der neuen Morgan Library&Museum, die in zwei Wochen eröffnet werden wird. 225 Madison Avenue, New York, USA. Weshalb ausgerechnet heute? Eine exklusive Begehung für die Abonnenten von Sky, Canale Leonardo. Ich spiele ein bisschen mit der Fernbedienung herum, aber die anderen Sender beschäftigen sich nur mit der Landespolitik, wo dieses Jahr ein ziemliches Chaos herrscht. Es ist nicht klar, wer die Wahlen gewonnen hat, und so wird das noch bis tief in die Nacht weitergehen. Ich fühle mich wie an einer Schiffsreling, so wie ich hier sitze, das Ikea-Tablett mit den pistaziengrünen Füßen auf dem Schoß, als würde gleich das Finale einer Fußballweltmeisterschaft beginnen: Sushi, Sashimi, Soja, vier Bierdosen und ein Schälchen Erdbeeren. Gabriella hat wirklich an alles gedacht.
»Es sind Früherdbeeren, Emma. Die schneidet man nicht klein und macht auch keinen Zucker oder Zitronensaft daran. Man lässt sie einfach, wie sie sind«, sagt sie mit einer neuen Milde in der Stimme, um mich nicht in meiner nicht existenten Hausfrauenehre zu kränken.
»Die Idee mit dem Essen vor dem Fernseher kam ja von dir,
und ich habe nicht die Absicht, mich zu betrinken. Eine Dose pro Kopf hätte locker gereicht.«
Ich lüge. Zumindest ein bisschen. Wenn ich ehrlich bin, kann ich es kaum erwarten, dass die Sendung endlich beginnt, und das Bier wird das nötige Gegengewicht dazu abgeben. In der Zeitung stand allerdings 23.30. Jetzt ist es 23.42, und die Sendung hat immer noch nicht begonnen. Störungen der Abläufe. Aussetzer. So müssen Herzrhythmusstörungen sein.
Großen Hunger habe ich nicht, das Essen ist vor allem nötiges Rüstzeug wie an den Abenden, wenn Alberto mit Michele und Mattia Fußballspiele anschaut. Man isst, um sich zu trösten oder um zu feiern.
»Wie fühlst du dich?«
»Wie jemand, der fünf Jahre lang Entwürfe seines Romans korrigiert hat und nun das gebundene Buch zugeschickt bekommt.« Ich war auf die Frage vorbereitet, weil ich sie mir den ganzen Tag gestellt hatte.
»Ich bin gespannt, wie er jetzt aussieht. Hoffentlich gibt es ein Interview mit ihm.«
Die Reisklötzchen mit Thunfisch und Lachs sind aufgestapelt, fast tut es mir leid, davon zu essen und die Symmetrie zu zerstören. Gabriella lenkt mich ab, indem sie mir von der Klassenfahrt letzte Woche erzählt. Mit fünfunddreißig Schülern ist sie in Petra in Jordanien herumgelaufen. Heldenhaft.
»Uns hat man damals nur mit dem Bus nach Florenz gekarrt, kannst du dich noch an das Theater erinnern? Wir wurden in bescheidenen Pensionen zusammengepfercht und haben die ganze Nacht lang gesungen mit diesem... Wie hieß noch dieser Typ, der zusammen mit Federico Gitarre gespielt hat? Ach Gabri, irgendwie habe ich das Gefühl, dass das alles erst gestern gewesen ist und nicht vor mehr als drei Jahrzehnten. Weißt du was?
Manchmal hätte ich Lust, für die Übriggebliebenen der 5B ein Essen zu organisieren.«
»Um Gottes willen, Emma. Ich kenne Leute, die so etwas gemacht haben. Bei all den Toten, Depressiven, Gescheiterten oder, schlimmer noch,
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