Und in mir der unbesiegbare Sommer (German Edition)
»Wir kommen sonst zu spät zum Treffen.«
»Wen trefft ihr denn noch zu so später Stunde?«, fragte ich lachend.
Die Jungen senkten kurz den Kopf. »Wir müssen weiter. Tschüs, große Schwester«, sagte der Junge zu Joana. Dann ging er mit seinem Freund am Strand davon.
»Tschüs«, sagte Joana.
Wir lachten so schallend, dass unsere Eltern es bestimmt hören konnten. Wir rannten aus dem Wasser, schnappten unsere Sandalen und liefen über den Sand zum schattigen Pfad. Überall zirpten Grillen, und Frösche quakten. Joana packte mich am Arm. »Erzähl unseren Eltern nichts davon«, sagte sie.
»Wir sind klitschnass. Man kann nicht übersehen, dass wir gebadet haben.«
»Nein. Ich meine die Jungen … und was sie gesagt haben«, erwiderte sie.
»Na schön, große Schwester, ich schweige wie ein Grab«, sagte ich grinsend. Wir liefen durch das Dunkel und lachten, bis wir das Häuschen erreichten.
Hatte Joana mehr über die Jungen und ihr Treffen gewusst?
Das Lachen war verklungen. »Wir müssen zurück, Lina, mein Schatz«, sagte Mutter.
Ich drehte mich nach dem Loch um. Ob wir unser eigenes Grab schaufelten?
34
Ich suchte einen Stock und brach ihn entzwei. Dann setzte ich mich und zeichnete unser Haus, unseren Garten und die Bäume auf den harten Boden, bevor ich wieder an die Arbeit musste. Ich drückte mit dem Daumen Steinchen als Weg von der Pforte zum Haus in die Erde und deckte das Dach mit Zweigen.
»Wir müssen vorbereitet sein«, sagte Mutter. »Wir sind die harten Winter hier nicht gewohnt. Hier wird es klirrend kalt. Und Essen fehlt auch.«
»Winter?«, fragte ich und lehnte mich auf den Hacken zurück. »Soll das ein Witz sein? Glaubst du wirklich, dass wir im Winter noch hier sind? Nein, Mutter!« Bis zum Winter waren es mehrere Monate. Der Gedanke, so lange noch in der Hütte zu wohnen, Löcher zu graben und dem Kommandanten aus dem Weg gehen zu müssen, war unerträglich. Ich sah zum blonden Wachmann. Er betrachtete meine Zeichnung.
»Hoffentlich nicht«, sagte Mutter und senkte die Stimme. »Aber wer weiß? Wenn wir nicht vorbereitet sind, werden wir erfrieren oder verhungern.«
Die mürrische Frau spitzte die Ohren.
»Die Schneestürme in Sibirien sind grässlich«, sagte Frau Rimas nickend.
»Ob die Hütte standhält?«, murmelte Mutter.
»Warum bauen wir nicht selbst ein Haus?«, fragte ich. »Ein Blockhaus mit Ofen und Schornstein wie das, in dem sich das Büro der Kolchose befindet. Dort könnten wir alle zusammen wohnen.«
»Dummes Ding. Wir werden keine Zeit dafür haben, und wenn wir etwas bauen, wird man es uns wegnehmen«, sagte die mürrische Frau. »Grabt weiter.«
Es begann zu regnen. Tropfen fielen auf unsere Köpfe und Schultern. Wir versuchten, sie mit dem Mund aufzufangen.
»Was für ein Wahnsinn«, sagte Frau Rimas.
Mutter rief dem blonden Wachmann etwas zu. Zwischen den Zweigen des Baums war die Glut seiner Zigarette zu sehen.
»Wir sollen schneller graben, sagt er«, erklärte Mutter. Sie musste ihre Stimme heben, weil es wie aus Kübeln schüttete. »Der Boden sei jetzt weicher.«
»Mistkerl«, sagte Frau Rimas.
Ich sah, wie unser Haus im Dreck zerlief. Mein Zeichenstock wurde von Wind und Regen weggewirbelt.
Ich senkte den Kopf und grub. Ich stieß die kleine Schaufel immer heftiger in den Erdboden und stellte mir vor, er wäre der Kommandant. Meine Finger verkrampften sich, meine Arme zitterten vor Erschöpfung. Mein Kleidsaum hing in Fetzen, und weil das Wetter am Vormittag schön gewesen war, hatte ich einen Sonnenbrand auf Gesicht und Nacken.
Nach dem Regen marschierten wir in das Dorf, bis zur Hüfte mit Matsch beschmiert. Ich hatte vor Hunger Magenkrämpfe. Frau Rimas warf sich das Tuch mit den Schaufeln über die Schulter, und wir schleppten uns dahin. Unsere Finger waren steif und krumm von den Schaufelblättern, die wir fast zwölf Stunden lang festgehalten hatten.
Nachdem wir das Dorf betreten hatten, erkannte ich die Hütte des Glatzkopfs an der braunen Tür und konnte Mutter zu unserer Hütte führen. Jonas wartete schon auf uns. Alle Töpfe waren randvoll mit Wasser.
»Da seid ihr ja!«, rief er. »Ich hatte schon Angst, dass ihr nicht heimfindet.«
Mutter nahm Jonas in die Arme und küsste ihn auf den Kopf.
»Bei meiner Rückkehr hat es noch geregnet«, erklärte Jonas. »Also habe ich die Töpfe hinausgeschleppt, damit wir Wasser haben.«
»Sehr klug, mein Schatz. Hast du etwas davon getrunken?«, fragte Mutter.
»Jede Menge«, antwortete
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