Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
Vom Netzwerk:
ruckelte. Die Reifen gruben sich tiefer in den Sand ein. Doch sie gab weiter Gas, bis die Räder durchdrehten, und würgte, in einem letzten Versuch, sich zu befreien, den Motor ab.
    Dann war es still. Kein sanftes Schimmern – Dunkelheit. Keine Straßenlaterne in der Nähe, kein Haus; kein Mensch weit und breit, den sie um Hilfe bitten konnte. Das andere Auto war fort. Esther griff auf den Sitz neben sich, er war leer. Sie schaltete die Innenbeleuchtung an und fand dann das Handy zusammen mit ihrer Handtasche im Fond auf der Beifahrerseite. Zum Glück war es heil geblieben.
    Esther hörte ihrer eigenen Stimme zu: „Hier ist das Band von Alfons und Esther Lüdersen. Wir sind im Moment leider nicht zu Hause, aber wenn Sie uns nach dem Signalton eine Nachricht aufs Band sprechen, rufen wir umgehend zurück.“
    „Alfons? Ich hatte eben einen Unfall! So’n paar junge Leute haben mich von der Straße gedrängt. Auf dieser Nebenstrecke der Pinneberger Chaussee zwischen Hetlingen und Heist, du weißt schon, welche. Das Auto hängt fest. Bitte hole mich ab, beeile dich. Ich lasse mein Handy an. Alfons?“
    Der Anrufbeantworter schaltete sich ab, die Nachrichtenzeit war überschritten.
    Wieder Stille. Esther aktivierte die Warnblinkleuchte. Orangefarbenes Licht in gleichmäßigem Rhythmus. Davor, dahinter, darüber hinaus Dunkelheit. Dunkelheit und Stille.
    Hoffentlich war Alfons zu Hause und, wie so oft beim Spätfilm, nur auf dem Sofa eingenickt. Esther stellte sich vor, wie er sich gerade hochrappelte, weil er durch das durchdringende Fiepen des Anrufbeantworters geweckt worden war.
    Und hoffentlich war kein Benzin ausgelaufen, sonst könnte es hier demnächst heller werden, als ihr lieb war. In jedem Fall schien es besser, draußen auf Alfons zu warten. Außerdem würde sie auf der Straße eher auf sich aufmerksam machen können, falls tatsächlich noch jemand so spät unterwegs sein sollte. Die Fahrertür war verzogen, ließ sich nicht öffnen. Esther kletterte auf die andere Seite und stieg aus. Sie stolperte. Der Graben war sandig, sie sackte bis zu den Knöcheln ein. Kein Wunder, dass die Räder keinen Halt gefunden hatten. Sie zerrte die Handtasche und ihre Jacke hervor, kroch aus dem Graben heraus. Das linke Knie tat ihr weh, fühlte sich an, als sei es geschwollen. Ansonsten schien sie unverletzt zu sein, Esther dachte an Olaf. Er würde sich Sorgen machen, wenn sie ihn nicht kurz informierte.
    Olaf war nicht ihr Sohn, doch er hätte es sein können. Einmal seinem Alter nach, vor allem aber durch die innere Nähe, die die beiden miteinander verband.
    Sie humpelte ein paar Schritte auf der dunklen Landstraße. Die Luft war frischer hier draußen, der leichte Wind hatte die Schwüle des vergangenen Sommertages vertrieben. Sie legte sich die Jacke um ihre Schultern.
    „Olaf? Ich komme heute nicht mehr in die Stadt. Hatte eben einen Unfall, der Peugeot steckt im Graben fest. Ich bin hier in der Pampa, auf dieser Nebenstrecke zwischen Hetlingen und Heist. .... Nein, nicht so schlimm, mir ist nichts weiter passiert. Hör mal, du kannst gern bei mir übernachten. Alfons holt mich sicher gleich ab, wahrscheinlich versucht er gerade, mich anzurufen. Wir treffen uns dann morgen nach deiner Arbeit in der Wohnung.“
    „Ich könnte ein Taxi nehmen und in einer halben Stunde bei dir sein. Hast du Geld dabei?“
    „Ach was, nicht nötig. Alfons hat nichts davon gesagt, dass er heute noch mal fort will. Er ist vermutlich nur eingeschlafen und deshalb nicht schnell genug ans Telefon gekommen. Wo sollte er schon sein um diese Zeit. Er kommt bestimmt jede Minute, er hat’s ja nicht weit.“
    „Wie ist das denn überhaupt passiert?“
    Aus der Ferne sah Esther zwei Scheinwerfer auf sich zukommen.
    „Olli, ich muss Schluss machen. Ich glaube, Alfons ist da.“
    Sie stellte sich auf die Mitte der Fahrbahn und winkte. Der Wagen kam langsam näher, vielleicht war es doch nicht ihr Mann. Er hätte entweder schon das Fernlicht aufflammen lassen oder gehupt, in jedem Fall irgendein Zeichen gegeben, dass sie ihn erkannte. Gut, dann würde sie eben andere Menschen um Hilfe bitten. Einen Moment lang zögerte Esther, ließ die Arme sinken. Würden Fremde diese Situation richtig einschätzen? Eine Frau allein in der Nacht am Straßenrand, dahinter ein Auto, das von der Fahrbahn abgekommen war. Was, wenn sie aus Angst vor einer Falle an ihr vorbeifahren würden? Zum Glück hielt das Auto an. Blieb vor ihr stehen, die Scheinwerfer

Weitere Kostenlose Bücher