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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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mehr ausblenden. Dies war kein böser Traum, sie war wach und von irgendwoher hörte sie ein dumpfes Brummen, wie von einer alten Heizungsanlage.
    „Hilfe, hört mich jemand?“
    Esther horchte in die Stille hinein. Doch wer auch immer sie verschleppt hatte, ließ sich jetzt nicht blicken. Sie musste an den entführten Gastwirtssohn denken, dessen Geschichte sie vor ein paar Tagen in der Zeitung gelesen hatte. Man hatte ihn elendig in einem Erdloch sterben lassen. Würde ihr ein ähnliches Schicksal bevorstehen?
    Vorsichtig tasteten sich ihre Finger vorwärts. Sie fühlte einen unebenen, feuchten Estrich mit diversen Rissen und Löchern. Wieder hörte sie das brummende Geräusch, wahrscheinlich war die Heizung gerade erneut angesprungen. Die Luft roch abgestanden und muffig, ja, jetzt war sie sich ganz sicher, dass man sie in einem Keller gefangen hielt. Ihr Kopf war leer, das Denken fiel ihr schwer. Vor ihrem inneren Auge sah sie noch immer das Auto, wie es mit aufgeblendeten Scheinwerfern vor ihr Halt gemacht hatte. Wie sie sich gefreut hatte, dass ihr jemand zu Hilfe kam. Zwei Männer mit Motorradmasken, eine Pistole, der Geruch von Äther. War sie entführt worden? Wozu? Um Alfons zu erpressen? Weswegen? Durst! Ihr Hals fühlte sich wund an, vielleicht kam das von der Betäubung. Ihre Beine waren nass, anscheinend hatte sie in die Hose gepinkelt. Ihr Magen knurrte. Wie konnte man nur in einer solchen Lage Hunger haben? Trotzdem, Esther hatte Hunger, aber vor allem Durst. Was machte eine Entführung für einen Sinn, wenn sich danach niemand zeigte? Andererseits ging es hier nicht um sie. Sie war das Opfer, nicht diejenige, die zahlen sollte. Opfer konnten geopfert werden. Opfer verdursteten, erstickten, verhungerten wie der bedauernswerte Junge in seinem Erdloch. Nein, Esther wollte kein Opfer sein. Wütend begann sie, mit ihren Fäusten gegen die Tür des Gefängnisses zu trommeln. Sie schlug zu, mit aller Kraft. So lange, bis ihre Hände schwer wurden und sie an der Tür entlang zu Boden rutschte und zu weinen anfing. Esther weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte. Sie suchte nach einem Gedanken, nach irgendetwas, das sie tröstete.
    „Alfons wird kommen und mich befreien.“
    Esther zwang sich, ruhig und tief zu atmen. Sie wusste, ihr Mann würde nicht aufgeben, bis er sie gefunden hätte. Alfons würde sie retten, und dann würden sie zusammen auf Reisen gehen. So wie früher.
    Anna Greve stand vor dem Gebäude von Dezernat 6. Im Glas der modernen Fassade spiegelte sich der lebhafte Autoverkehr, der an diesem wie an jedem anderen Werktag das Bild der Stadt prägte. Hier, in der Dienststelle des LKA im Hamburger Stadtteil Alsterdorf, würde ihre neue berufliche Heimat sein. Schwungvoll trat sie durch die Drehtür und suchte sich ihren Weg zur Abteilung 03.
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    Die Stimme gehörte einer älteren Frau, die gebeugt über der Tastatur ihres Computers saß und sie nun erwartungsvoll ansah.
    „Das fängt ja gut an“, murmelte Anna. Dann sagte sie laut: „Mein Name ist Anna Greve, die neue Kollegin in der Abteilung von Herrn Kuhn. Ich bin doch richtig hier?“
    „Oh, Frau Greve, tut mir sehr leid, der Chef hat sie erst morgen erwartet. Er ist im Moment zusammen mit Herrn Weber auf einem Lokaltermin, müsste aber bald zurück sein. Nehmen Sie doch Platz.“ Die Sekretärin lächelte und gab ihr die Hand. „Ich heiße Antonia Schenkenberg. Na, dann wollen wir einmal hoffen, dass sich der Ton hier von nun an etwas ändert.“
    Wie konnte das gemeint sein, waren die anderen Mitarbeiter etwa ewig schlecht gelaunte Despoten? Anna versuchte, diese Vorstellung sofort wieder aus ihrem Kopf zu bekommen. Sie sah sich um. Der wackelige Stuhl mit seiner abgenutzten, schartigen Sitzfläche lud nicht gerade zum Ausruhen ein. Man musste mit allem rechnen, wenn man sich darauf setzte, das Harmloseste war da wohl noch ein Ziehfaden in ihrer Leinenhose. Anna fand, dass er sich sehr gut in das Gesamtbild fügte, denn mit Ausnahme der Pflanze und dem kleinen Foto auf Frau Schenkenbergs Schreibtisch gab es nichts Persönliches in diesem Raum.
    Eine Männerstimme war auf dem Flur zu hören: „... ja, genauso machen wir es.“
    Schritte kamen näher, machten vor der Tür Halt, dann betrat ein kleiner Mann mit Halbglatze, gefolgt von einem zweiten, deutlich größeren, den Raum. Frau Schenkenberg informierte den Kleinen, und nun stand Anna zum ersten Mal ihrem künftigen Chef gegenüber.
    „Frau Greve, ich

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