Und Jimmy ging zum Regenbogen
weiter …«
»Ist Ihnen klar, was Sie mir zumuten?«
»Gewiß. Und trotzdem tue ich es.«
»Was heißt Angst um Ihr Kind?«
»Das … Ich kann das jetzt nicht erklären … Ich bin von daheim fortgelaufen, auf das nächste Postamt, damit mein Mann mich nicht hört …«
»Wieso haben Sie Angst um Irene?«
Daraufhin hörte Manuel, wie die Frau am anderen Ende der Leitung zu schluchzen begann.
»Frau Waldegg, Sie wissen Bescheid über vieles, was Ihre Tochter und ich nicht wissen … und andere Menschen auch nicht, zum Beispiel Ihr Mann. Stimmt das?«
Schluchzen.
»Stimmt das, Frau Waldegg?«
»Ja … ja … Es wäre … Eine Katastrophe wäre es, wenn Irene und mein Mann etwas davon erfahren würden … Hier steht das Glück einer Familie auf dem Spiel, das Schicksal von drei Menschen …«
»Und Sie denken, nachdem Sie mir das gesagt haben, werde ich aufhören, mich um die Sache zu kümmern?«
»Darum flehe ich Sie an!«
»Das ist absurd, Frau Waldegg. Ich werde alles tun, alles, hören Sie, um die Wahrheit zu finden. Ich kann dabei auf niemanden Rücksicht nehmen – auch nicht auf Sie.«
Nun weinte die Frau auf dem Postamt in Villach. Manuel ließ sie eine ganze Weile weinen. Er wußte, daß sie wieder sprechen würde. Sie sprach, endlich, von Schluchzen unterbrochen: »Also gut … Ich sehe Ihren Standpunkt ein … Ich will Ihnen alles sagen … unter einer Bedingung …«
»Welcher?«
»Daß Sie Irene kein Wort von diesem Anruf erzählen! Nicht ein einziges Wort!«
»Einverstanden«, sagte Manuel. Es muß wirklich eine schlimme Sache sein, die Irenes Mutter da verheimlicht, dachte er.
»Danke. Und dann müssen Sie zu mir nach Villach kommen … und davon darf Irene nichts merken … Ich kann hier nicht weg … kommen Sie … irgendwann nächste Woche …«
»Warum nicht früher?«
»Weil mein Mann nicht da sein darf, wenn Sie mich besuchen. Er muß nächste Woche für einen Tag nach Wien … zu unserem Notar da … wir haben ein Grundstück in Wien, das wir verkaufen wollen …«
»Wann fährt er?«
»Das ist noch nicht sicher. Ich rufe Sie rechtzeitig vorher an. Wenn Sie nicht im Hotel sind, hinterlasse ich eine Nachricht.«
»Gut, Frau Waldegg. Ich warte also. Länger als eine Woche warte ich nicht. Dann komme ich ohne Anmeldung.« Sie schrie leise auf. »Tut mir leid. Ich will wissen, was mit Frau Steinfeld wirklich los war! Leben Sie wohl, Frau Waldegg.«
Es kam keine Antwort mehr. Aus dem Hörer erklang plötzlich hemmungsloses Weinen. Dann war die Verbindung unterbrochen. Manuel saß reglos da und starrte den cremefarbenen Telefonapparat an. Langsam legte er den Hörer in die Gabel zurück.
2
»Herr Doktor Forster, hier spricht Manuel Aranda. Ich bin der Sohn von …«
»Ja, ich weiß. Ich habe über den Fall viel gelesen. Ihr Vater ist von dieser Frau Steinfeld vergiftet worden, nicht wahr?« Die Stimme klang alt und kultiviert. »Wie kommen Sie auf mich, Herr Aranda?«
»Sie haben vor vielen Jahren, 1942, die Vertretung von Frau Steinfeld in einem sehr ungewöhnlichen Prozeß übernommen.«
»Nicht von Frau Steinfeld. Von ihrem Sohn.«
»Aber …«
»Das ist etwas kompliziert. Ja, ich kannte beide, den Sohn und die Mutter. Und ich habe den Prozeß geführt. Es ist mir sehr nahegegangen, was damals geschah – obwohl ein Anwalt doch einiges gewöhnt ist, nicht wahr? Und als ich jetzt las, was Frau Steinfeld für ein Ende gefunden, was sie zuvor noch getan hat, war ich vollkommen entsetzt und begriff überhaupt nichts mehr. Ich nehme an, Sie wollen, daß ich Ihnen erzähle, was damals geschehen ist?«
»Wenn ich darum bitten dürfte, Herr Doktor. Ich hatte in Ihrer Kanzlei in der Rotenturmstraße angerufen, aber …«
»Die leitet schon seit elf Jahren mein Sohn. Ich habe mich vom Beruf zurückgezogen.«
»Ja, das sagte man mir. Und man gab mir Ihre Privatnummer und Ihre Adresse in der Sternwartestraße. Darf ich Sie da besuchen?«
»Gern, natürlich. Ich will Ihnen helfen, wo ich kann. Sie müssen einem alten Mann aber verzeihen. Mein Gedächtnis … Das ist schon so lange her … Ich muß die Akten einsehen.«
»Gibt es die noch?«
»Hoffentlich.«
»Bei Gericht? Kann ich vielleicht selber …«
»Im Justizpalast? Nein, Herr Aranda, da werden Sie kein Glück haben. Niemand darf fremde Akten einsehen. Außerdem werden sie gar nicht mehr da sein, sondern in Leipzig. Wenn sie dort noch existieren.«
»In
Leipzig?
Wie kamen sie
Weitere Kostenlose Bücher