Und Jimmy ging zum Regenbogen
Redebegabung wegen ›Gauredner‹, der Tochter ins Gesicht. »Du Saumensch! Keinen Funken Würde im Leib!«
»Aber seine Mutter hat doch angerufen!« stammelte Bianca. Sie war gerade heimgekehrt. »Heinz hat doch mit ihr gesprochen, und sie hat ihm gesagt, ich soll sofort nach Hause gehen, sie wird dich gleich anrufen und mit dir sprechen!«
Er lachte verächtlich. Sein Atem stank nach Schnaps.
»Ja, sie hat angerufen, diese … diese feine Dame! Unverschämte Person! Der habe ich vielleicht die Meinung gesagt!«
»Du hast mit ihr gestritten?«
»
Gestritten?
Gestritten ist gut! Der habe ich so Bescheid gestoßen, daß sie zuletzt kein Wort mehr herausbrachte, was, Mutti?«
»Ja, Vati«, bestätigte unglücklich eine kleine, graue Person, die sich hinter dem massigen Gatten halb verborgen hielt, klagend.
»Dein Magen …«
Egmont Heizler donnerte: »Sie und ich, wir haben jetzt eine Rechnung zu begleichen, habe ich ihr gesagt! Nicht nur Herr Direktor Friedjung und Sie! Nein,
auch Sie und ich!
Ihr Sohn hat meine Tochter verführt! Sie werden etwas erleben von mir! Sie können sich auf etwas …« – er rülpste laut – »… gefaßt machen, verehrte gnädige Frau!«
»Aber Heinz und ich haben doch nie …«
»Nenn nie mehr den Namen von diesem dreckigen Judenlümmel!«
»Er ist kein Jude! Er ist nur ein Mischling!«
Daraufhin erhielt sie die dritte Ohrfeige.
»Vati!« rief die Mutter. »Vati, bitte! Reg dich nicht so auf! Dein Magengeschwür!«
Doch der Registrator, Kritiker und Deuter des neueren deutschen Schrifttums dachte nicht an sein Magengeschwür. Wild schüttelte er das Haupt mit der Gerhart-Hauptmann-Mähne, während er, ziemlich betrunken, hochrot im teigigen Gesicht, brüllte: »Du wirst mir nicht widersprechen, du ehrvergessenes Ding! Du nicht!« Er trank schon seit einer ganzen Weile, der Gauredner Egmont Heizler, und er vertrug nicht viel. »Du hast deine Eltern hintergangen, du hast gelogen und betrogen! Heimlich hast du diesen dreckigen jüdischen Lumpen getroffen, wir wußten nichts davon! Nichts! Keinen blassen Schimmer hatten wir! Nicht wahr, Mutti?«
»Keine Ahnung«, echote die menschliche Maus kläglich.
»Das können wir beschwören! Und das
werden
wir beschwören, wenn es dazu kommt! Ich habe schon mit diesem Direktor Friedjung telefoniert und ihm zur Kenntnis gebracht, daß wir ahnungslos, völlig ahnungslos waren, und daß ich nun selbstverständlich die strengsten Maßnahmen ergreifen werde!«
»Du hast mit dem Friedjung …«
»Halt’s Maul!«
»Vati …«
»Laß mich, Mutti! Du übersiehst ja nicht, was das für Folgen haben kann für uns!
Für mich!
Ein Gauredner hat ein Vorbild zu sein! In jeder Beziehung! Und seine Familie auch! Statt dessen – was tut dieses niederträchtige Luder?« Er hob wieder eine Hand, um zuzuschlagen. Bianca wich vor ihm zurück. Er trieb sie durch das Zimmer. »Dieses niederträchtige Luder besudelt unseren guten Namen! Während Millionen in einem heroischen Kampf um die Zukunft des Reiches stehen, knutscht sie sich mit einem Judenschwein, widersprich, und du fängst noch eine, einem Judenschwein, sage ich, in der widerlichsten, abstoßendsten Weise!«
»Wir haben doch nur …«
»Du sollst das Maul halten! Ich rede, verstanden? Deine Strafe erhältst du schon! Sie wird dir noch bekanntgegeben werden!« Biancas Vater war außer Atem gekommen, rang nach Luft, hielt sich an einem Tisch fest, fing sich, brüllte weiter: »Als erstes wirst du uns jetzt, deiner Mutter und mir, dein heiliges Ehrenwort als Deutsche geben, daß du diesen Saujuden nie mehr wiedersehen wirst! Niemals mehr, verstanden?«
Bianca zitterte, die Arme schützend vor das Gesicht gehoben. So hatte sie sich das alles vorgestellt, nun war es so gekommen. Schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatte, noch schlimmer!
»
Verstanden?
«
»Ja …«
»Dein Ehrenwort! Vorwärts! Ich warte!« schrie ihr Vater, heftig schwankend. »Na, wird’s bald?«
10
»… nun ja, und so gab ich natürlich dieses Ehrenwort«, berichtete Bianca Barry. Sie unterbrach sich, um einen Schluck Campari zu trinken. Ihr glattes, ungeschminktes Gesicht war während der Erzählung beherrscht und freundlich geblieben, die Stimme gleichmäßig. »Ach«, sagte sie nun, »wie lange ist das schon her, wie unendlich lange …«
Eine Pause entstand.
Manuel sah Bianca Barry an, die seinen Blick ruhig erwiderte. »Und was war vorher noch gewesen? Ich meine, bevor Sie sich von Heinz
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