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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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    »… ist damit zu Ende. Wir kommen wieder mit der zwölften Sendung dieses Tages in deutscher Sprache um zwanzig Uhr auf den Langwellen 1600 und 1800 Meter, auf Mittelwelle im 285-, 340-, 398-, 415- und 450-Meter-Band, und auf Kurzwelle im 18-, 20-, 24-, 28- …«
    Das Telefon rasselte.
    Valerie fuhr zusammen. Während sie sich die Decke vom Kopf riß und auf das alte Sofa warf, schaltete sie den Apparat ab.
    Wieder klingelte der schwarze Metallkasten mit seiner verrosteten Gabel, in der waagerecht ein schwerer altmodischer Hörer mit verrostetem Sprechtrichter hing. Valerie meldete sich: »Buchhandlung Landau.«
    Im nächsten Augenblick wurde sie von einer Wortflut ihres Sohnes überschwemmt: »Ich habe zu Haus angerufen, Mami, aber die Agnes hat gesagt, du bist noch nicht da … Es ist etwas Schreckliches passiert, es tut mir so leid … Erwischt hat er uns … Sei nicht böse, bitte, sei nicht böse …«
    Valerie – sie trug einen Verkäuferinnenmantel aus schwarzem Glanzstoff – ließ sich in den alten Sessel vor dem vollgeräumten Schreibtisch sinken. »Stopp! Noch einmal, Heinz. Aber langsam und der Reihe nach.«
    Er berichtete mit bebender Stimme, was vorgefallen war – halbwegs verständlich und chronologisch. Und schloß mit einem Schluchzen: »… da haben wir uns dann nicht mehr nach Hause getraut!«
    Valerie stützte den Kopf in eine Hand. Ich wußte es, dachte sie. Ich habe es kommen sehen. Einmal passiert etwas. Immer habe ich es gefürchtet. Nun ist es passiert.
    »Das war ja ein Wahnsinn von euch! Ausgerechnet in der Hütte hinter dem Turnplatz. Wo ich euch hundertmal gebeten habe, vorsichtig zu sein. Ein Wahnsinn!«
    »Ja, ja, ich weiß … aber wir haben uns immer da getroffen …«
    »Allmächtiger!«
    »… und nie ist etwas passiert! Es war dieser Roman Barry, du weißt schon. Der ist mir nach und hat dann den Direktor verständigt … Was wird der jetzt machen, Mami? Ich bin doch ein Halbjud!«
    Sie zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Aber sie schaffte es, daß ihre Stimme fest und ruhig klang: »Hör jetzt damit auf. Wirst du tun, was ich dir sage?«
    »Ja, Mami, deshalb rufe ich ja an … Wir müssen etwas tun … Wir können nicht immer weiter durch Wien laufen … Der Bianca ist schon ganz schlecht … Und die Agnes hat gesagt, Biancas Mutter hat angerufen und gefragt, ob sie mit mir zusammen ist …«
    »Ich werde sie anrufen, gleich. Und ihr alles erklären … vorsichtig, damit sie sich nicht zu sehr aufregt … Ich bringe das schon in Ordnung.«
    »Ja, Mami? Ja? Glaubst du, du kannst das?«
    »Wir reden darüber. Aber ihr müßt jetzt nach Hause, so schnell wie möglich. Weg von den Straßen. Bianca fährt heim, du fährst heim – jeder allein! Versprichst du mir das?«
    »Ja … ja … aber …«
    »Kein Aber. Zuerst heimfahren. Ich bin hier schon fertig und komme. Also beeile dich gefälligst!«
    Martin Landau, bleich und verstört – er hatte das Telefon läuten gehört und danach Valeries Stimme –, trat fast lautlos in das Teekammerl. Valerie sah zu ihm auf und bemerkte seinen entsetzten Blick. Sie lächelte ihm tapfer zu. Aber das half nichts bei ihm.
    »Heinz?« flüsterte er.
    Sie nickte, während sie in den Hörer sagte: »Überlaßt alles mir, ich werde schon einen Weg finden.«
    Martin Landau war zu dem Radioapparat gestürzt. Er stellte ihn schleunigst wieder auf die Wellenlänge des Reichssenders Wien ein.
    »Also Schluß jetzt«, sagte Valerie und legte den Hörer in die fleckige Gabel.
    Landau knurrte: »Wieder auf London gelassen! Wie oft soll ich dir noch sagen …«
    »Ich hätte das schon verdreht!«
    »Vergessen hättest du es!« rief er plötzlich mit dünner Stimme. »Weißt du, was uns blüht,
uns beiden,
wenn man uns je dabei erwischt? Weißt du …«
    Valerie schrie ihn an: »Halt den Mund! Kannst du denn immer nur an dich denken, du Feigling?«
    Er ließ sich vor Schreck und Verblüffung auf das alte Sofa fallen, dessen Spiralfedern laut krachten, und starrte Valerie mit offenem Mund an. Sie strich ihm über das glanzlose Haar. »Entschuldige, bitte. Ich weiß nicht, was ich tue. Etwas mit Heinz ist passiert …«

15
    »Sie berichtete mir die ganze Geschichte, und sie wurde ruhiger, während sie sprach«, sagte Martin Landau.
    Es war 15 Uhr 35, und der Buchhändler saß, Manuel gegenüber, in einem Sessel des Salons. Zwischen ihnen stand ein fahrbarer Tisch, auf dem ein Ober zwei große Kannen Tee und eine

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