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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Frau.«
    »Heinz?«
    »Ja, Heinz. Und zwar wird er in seiner Klage fordern, daß ihm, wegen blutsmäßiger Abstammung, die eheliche Geburt abgesprochen wird. So heißt das. Warten Sie, langsam! Da er noch minderjährig ist, braucht er einen Vormund. Dieser Vormund werden Sie sein. Sie müssen sofort zum Amtsgericht Währing gehen und sich zur Vormünderin Ihres Sohnes bestellen lassen. Denn nur als Vormünderin Ihres minderjährigen, klagenden Sohnes darf ich Sie vertreten.« Forster lachte absichtlich laut, als er Valeries betroffenes Gesicht sah. »Juristenkram! Es kommt noch schöner! Wie bei jedem Prozeß gibt es auch hier so etwas wie einen Staatsanwalt, der unser Gegner ist und zu erreichen versucht, daß die Klage abgewiesen wird. Obwohl er selber die ›beklagte Partei‹ darstellt.«
    »Wer ist das?« Valerie zerrte an dem Spitzentuch.
    »Ein anderer Anwalt«, sagte Forster. »In Juristendeutsch: ›Ein zur Verteidigung der ehelichen Geburt und der blutsmäßigen Abstammung vor Gericht zu bestellender Kurator‹.«
    »Aber das ist doch verrückt! Das Gericht setzt einen Anwalt ein, der unter allen Umständen beweisen soll, daß Heinz der Sohn eines Juden und nicht, wie in Wahrheit, der Sohn eines Ariers ist?« Valerie bekam es mehr und mehr mit der Angst zu tun.
    »Das ist gar nicht verrückt, gnädige Frau. Wenn da niemand wäre, der bezweifelt, widerspricht, die Rolle des Ungläubigen, des ›Feindes‹ übernimmt, dann wären diese Prozesse ein Kinderspiel, dann hätte man drei davon in einer Stunde erledigt – zur Zufriedenheit der Mütter.«
    »Heinz ist der Sohn von einem Arier und nicht von meinem Mann!« rief Valerie. »Glauben Sie mir nicht?«
    Forster zupfte an seinem Ohr.
    »Wenn ich Ihnen nicht glaubte, könnte ich doch den Fall nicht übernehmen.« Er sah Valerie ausdruckslos an. »Genügt Ihnen das?«
    Er glaubt mir natürlich nicht, aber er übernimmt den Fall, gerade deshalb, ich habe verstanden, dachte Valerie – ihre Stimmung schwankte unentwegt zwischen Verzweiflung und Hoffnung – und sagte: »Selbstverständlich genügt mir das, Herr Doktor.«
    »Gut. Der Prozeß wird, sobald ich als Rechtsvertreter der Vormünderin des Jungen seine Klage eingebracht habe, im Justizpalast stattfinden. Vor einem Einzelrichter.«
    »Einzelrichter? Gibt es mehrere für diese Fälle?«
    »Ja, leider«, sagte Forster. »Und sie sind ganz verschieden. Wir wollen hoffen, daß wir Glück haben und auf einen sachlichen, klugen und erfahrenen Richter stoßen.« Er sprach jetzt mit Betonung, sie erfaßte sogleich, daß er seine Worte ›verkleiden‹ mußte: »Wer immer Vorsitzender ist – es steht Ihnen eine schwere Zeit bevor, gnädige Frau. Eine sehr schwere Zeit. Mit der Behauptung, Sie hätten ihren Mann betrogen, ist es natürlich nicht getan. Zunächst brauche ich von Ihnen eine ausführliche schriftliche Erklärung, die dann vor Gericht zur Grundlage des Falles gemacht wird.«
    »Was für eine Erklärung?«
    »Nun, über Ihre schlechte Ehe, die Sie gegen den Widerstand der Eltern geschlossen haben und die gleich von Anfang an unglücklich verlaufen ist. Ich vermute, es gab Streit, Zerwürfnisse, Szenen?«
    »Ja«, sagte Valerie. In unserer ganzen Ehe hat es das niemals gegeben, dachte sie.
    Forster nickte und sprach mit monotoner Stimme weiter. Ich muß der armen Person doch wenigstens ein paar Anhaltspunkte geben, dachte er. Wenn sie mir die Erklärung bringt, und sie genügt nicht, muß ich ihr beibringen, wie man sie besser schreibt. Er sagte: »Sie haben unglücklicherweise erst nach der Eheschließung festgestellt, daß Sie und Ihr Mann geistig überhaupt nicht zueinander paßten, wie?«
    »Ja!« Valerie kam wieder in Fahrt. (Das hatte sie sich mit Martin Landau überlegt.) »Mein Mann dachte nur an seine Zeitung und an Politik, Politik, Politik!«
    »Typisch«, sagte Forster und dachte: Sie begreift schon, na also. »Während Sie, gnädige Frau …«
    »Während ich mich stets für künstlerische Dinge interessierte. Ich habe mich sehr intensiv mit Kunstgeschichte befaßt. Habe Kurse besucht. Auf sein Drängen gab ich das auf.«
    »Nur mit großem Bedauern?«
    »So ist es. Und er … er machte sich lustig über meine Interessen, er verhöhnte mich dafür!« rief Valerie.
    Sie versteht, dachte Forster und sagte: »Die andere Rasse, da sehen Sie es wieder einmal, gnädige Frau. Ein krasser Materialist, Ihr Mann – so habe auch ich ihn noch in Erinnerung.« Sie sahen sich an, ohne mit der

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