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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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England. Sofort nach dem Anschluß.«
    »Ich verstehe.« Forsters Gesicht blieb unbewegt. Auch er mußte das gleiche Spiel wie Valerie spielen. Hinter ihm, an der Wand, hing ein großes Bild – eine Rötelzeichung, darstellend junge Bacchanten in einem Weinberg. Der Anwalt zupfte an seinem rechten Ohr – das schien eine Angewohnheit von ihm zu sein. »Haben Sie Verbindung zu Ihrem Mann, gnädige Frau?«
    »Jetzt? Im Krieg?«
    »Nun ja, es ist unwahrscheinlich, aber es könnte doch möglich sein. Haben Sie?«
    »Natürlich nicht!« (Mit Martin besprochen, alles besprochen.)
    »Ich verstehe«, sagte Forster zum zweitenmal und dachte: Also wieder so ein Fall. Er fragte: »Und Ihr Mann? Ihm haben Sie gesagt, daß nicht er …«
    »Der Vater von Heinz ist? Nein, das habe ich niemals zugegeben! Obwohl er mich immer wieder verdächtigte, ihn betrogen zu haben …« – natürlich, dachte Forster – »… und obwohl er mir immer wieder Szenen gemacht hat …« – na freilich, dachte Forster – »… habe ich es bis zuletzt energisch abgestritten!«
    »Bis zuletzt, mhm.« Forster sah, daß Valerie vor Nervosität an einem kleinen Spitzentaschentuch zog und zerrte. Er half ihr – in diesem Fall war schnelles und direktes Handeln am Platz. »Das bedeutet, daß Ihr Sohn … wie alt übrigens?«
    »Sechzehneinhalb.«
    »…
kein
Mischling ist.«
    »Deshalb will ich ja den Prozeß führen! Ich schäme mich so.« Wie ich das alles kenne, dachte Forster traurig. »Aber es muß sein. Jetzt muß es sein!«
    »Warum muß es jetzt sein, gnädige Frau?« Forster sagte stets ›gnädige Frau‹ zu weiblichen Mandanten, er grüßte niemals mit ›Heil Hitler‹, auch seine Briefe unterschrieb er nicht so und auch nicht ›mit deutschem Gruß‹, sondern stets ›mit besten Empfehlungen‹ und ›Ihr ergebener‹ oder bei Frauen mit ›Handkuß, ergebenster‹.
    Valerie war bereits voller Vertrauen zu diesem Mann, dessen Gesicht, dessen Stimme und dessen Augen aussahen, als hätten sie noch niemals das Gefühl der Angst verspürt. Sie berichtete, was Heinz in der Staatsschule für Chemie widerfahren war, und schloß: »Deshalb kann ich jetzt nicht weiter schweigen. Deshalb komme ich zu Ihnen. Es heißt, daß Sie auf solche Prozesse spezialisiert sind.«
    »Heißt es das?« sagte Forster und dachte: Hat sich also auch schon herumgesprochen. Na, egal! Paul Steinfeld – was haben wir zusammen gelacht, was für Prozesse während seiner Zeitungszeit erlebt. Und jetzt sitzt seine Frau vor mir. Eine kleine Welt.
    »Ja, das heißt es. Jedenfalls sagte es mir eine … eine Freundin. Und deshalb möchte ich Sie zum Vertreter haben. Es muß sein. Das finden Sie doch auch, nicht wahr?«
    Er nickte.
    »Ja, ich fürchte, gnädige Frau. Wenn Schirach bereits verständigt worden ist … Außerdem sind dauernd Pläne über die Behandlung von Mischlingen im Gespräch.«
    Also doch, dachte Valerie. Also stimmt, was Nora Hill gesagt hat. Also weiß Paul mehr, als wir hier wissen.
    »Solange der Prozeß läuft, ist Ihr Sohn aber geschützt.«
    »Ja, das ist im Moment das Wichtigste. Sein Direktor, dieser Professor Friedjung, der ist nämlich …« Valerie brach ab, während sie ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus einer Tasche der Kostümjacke zog. In der Bewegung erstarrte sie, als sei ihr etwas eingefallen, murmelte einige unverständliche Worte und schob das Papier zurück.
    »Was ist mit Professor Friedjung, gnädige Frau?«
    »Ach nichts … Ich dachte an etwas Unwesentliches … Völlig verrückt!«
    Forster sah sie grübelnd an. Was hatte diese Frau sagen wollen? Was war das für ein Papier? Er erfuhr es nicht.
    Schnell sagte Valerie: »Nichts von Bedeutung … Geschützt, solange der Prozeß läuft, ja. Und dann? Wie groß sind die Chancen, daß man in einer solchen Sache gewinnt?«
    »Das kommt auf mancherlei an.«
    »Wie viele Prozesse haben sie schon gewonnen?«
    »Einen«, sagte er. Und fügte, als er ihr Erschrecken sah, schnell hinzu:
    »Aber die anderen laufen noch, und das ist die Hauptsache.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Es sind immer ziemlich komplizierte Prozesse. Sie können nicht Bescheid wissen, gnädige Frau. Zunächst einmal sind nicht Sie es, die Klage erheben darf.«
    »Nicht ich? Wer denn?«
    Forster zupfte an seinem rechten Ohrläppchen – der Stelle, an der Manuel Aranda im Januar 1969 den unteren Rand einer großen, wulstigen Narbe erblicken sollte.
    »Ihr Sohn allein darf klagen, gnädige

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