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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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großen Dienstwagens, mit dem sie gekommen waren, Manuel nahm neben ihm Platz. Sie fuhren den weiten Weg zum Gürtel zurück und über diesen bis zur Mariahilferstraße und zum Bahnhof. Sie fuhren ohne Begleitschutz. Groll hatte eine Pistole bei sich. Aber er war überzeugt, daß nichts geschehen würde. Das hatte er auch Manuel gesagt: »Es war eine gute Idee von mir, die Herrschaften alle wissen zu lassen, daß das Originalmanuskript Ihres Vaters bei einem Anwalt liegt und sofort veröffentlicht wird, wenn Ihnen das Geringste zustößt. Die sind jetzt alle mächtig besorgt um Ihr Wohlergehen.«
    Während er den verödeten Gürtel entlangfuhr – einer Gespensterstadt glich Wien an diesem düsteren Januarsonntag –, sah Groll ein paarmal in den Rückspiegel.
    »Brav, brav. Ihre Beschützer«, sagte er. »Drehen Sie sich um. Der weiße Chevrolet.«
    »Woher wissen Sie, daß es gerade dieser Wagen ist?«
    »Er hatte vor dem Sicherheitsbüro geparkt. Folgt uns seither.«
    Groll schaltete einen Gang zurück und trat fest auf das Gaspedal. Sein Wagen schoß vor. Auch der Chevrolet beschleunigte sofort die Fahrt.
    »Na?« sagte Groll.
    Manuel anwortete nicht …
    In der riesigen Halle des Westbahnhofs hielten sich, der Wärme wegen, einige Stromer auf, verkommen aussehende, unrasierte Männer in Lumpen. Sie hockten auf den Bänken im oberen Hallenteil, schliefen oder tranken aus Flaschen. Nur wenige Reisende waren zu sehen.
    Der Gepäckschalter befand sich zwischen einem großen Zeitungsstand und einem ebenso großen Delikatessenladen. Hier standen ein paar Menschen.
    Groll drehte sich scheinbar gelangweilt um. Durch eine der großen Glastüren war ein Mann im Dufflecoat getreten, der nun, da er Grolls Blick auf sich ruhen fühlte, zu einer Tabak-Trafik schlenderte und Zigaretten kaufte. Na also, dachte der Hofrat.
    »So, hier der Herr, bittschön.« Der Beamte war aus dem Kofferlabyrinth mit einer flachen, viereckigen Schachtel von etwa fünfzig mal fünfzig Zentimetern aufgetaucht. Die Schachtel hatte man mit Kupferdraht und Plomben gesichert. Der Mann sah auf den Datumstempel des Aufgabescheins.
    »Seit dem zweiten Januar da. Heute ist der neunzehnte. Das macht …«
    Der Mann rechnete mit Lippen, die sich lautlos bewegten. … Neunzig Schilling! Viel Geld, ja. Aber das liegt ja auch so lange bei uns. Und pro Tag kostet es …«
    »Schon gut.« Manuel bezahlte. Er hob den Karton auf und war überrascht von dem Gewicht. »Was kann da drin sein?«
    »Kommen Sie in den Wagen. Ich habe eine Kneifzange. Wir werden es gleich sehen«, sagte Groll.
    Der Mann im Dufflecoat saß neben seinem Kollegen in dem weißen Chevrolet, der auf dem großen Parkplatz vor dem Bahnhof stand, als Manuel und Groll ins Freie traten und auf den Wagen des Hofrats zugingen. Der Mann im Dufflecoat sprach in ein Handmikrophon: »Sie haben einen Karton bei der Gepäckaufbewahrung abgeholt …« Er beschrieb ihn. »Sie steigen in Grolls Wagen. Sie fahren los. Wir folgen ihnen. Over.«
    »Okay, Eagle Master«, sagte Gilbert Grant, der vor dem Kurzwellensender in dem fensterlosen Büro am Ende des gewaltigen Ersatzteillagers seiner Firma AMERICAR saß. Neonlicht fiel auf ihn und den elegant wie stets gekleideten Fedor Santarin. Draußen in der Halle war es unheimlich still. Heute wurde nicht gearbeitet.
    Grant, der mittlerweise ein mächtiges Frühstück verzehrt und sich wieder erholt hatte, sah den Russen aus rotgeäderten Augen an. »Schwarzer Karton, flach und anscheinend schwer.
Unseren
Karton hat Aranda aus der Gepäckaufbewahrung im Schwechater Flughafen geholt. Wetten, es ist dasselbe drin?«
    »Natürlich ist dasselbe drin«, sagte der Russe. »Aber wir haben unseren Karton und alles andere
erhalten,
nachdem wir mit Aranda – Gott sei seiner Seele gnädig – zu einem Abschluß gekommen waren. Die Franzosen schafften das nicht mehr. Doktor Aranda verstarb – welch Jammer – zu früh für sie. Darum bekam Mercier auch nie
seinen
schwarzen Karton.«
    »Aber was ist da passiert? Wieso holt der Sohn das Ding erst heute?« Der Russe zog die Hose an den Bügelfalten hoch, bevor er sich auf eine Kiste mit verpackten Autoscheinwerfern setzte.
    »Ich bin immer der Ansicht gewesen, daß der junge Aranda geblufft hat.«
    »Was heißt das? Sie meinen, er hat das Manuskript seines Vaters gar nicht?«
    »Unsinn. Gilbert, Sie saufen langsam Ihr Gehirn weich! Natürlich
hat
er das Manuskript. Wie er uns sagte. Bei einem Anwalt verwahrt. Aber den

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