Und Jimmy ging zum Regenbogen
Schlüssel zum Dechiffrieren,
den
hatte er bis heute nicht, obwohl er es behauptete!«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Meine Überzeugung.«
»Wenn er ihn aber jetzt hat …«
»
Jetzt
hat er ihn, da können Sie Gift drauf nehmen!«
»… dann muß er ihn bei Yvonne gefunden haben.«
»Sehr wahrscheinlich.«
»Aber wie? Was weiß Yvonne? Ist sie eingeweiht?«
»Gilbert, wirklich! Natürlich ist sie
nicht
eingeweiht. Der Alte war doch kein Idiot.«
»Aber wie hat der Sohn dann bei ihr …«
»Das weiß ich nicht. Glück. Zufall. Uninteressant. Jetzt hat er den Schlüssel. Uns kann das egal sein. Für uns ändert es nicht das Geringste. Auch nicht, daß er jetzt den Karton hat, weil er den Code dechiffrieren konnte und vermutlich gleich zu Beginn etwas über den Karton im Manuskript steht.«
»Wir werden Yvonne …«
»Wir werden Yvonne in Ruhe lassen, aber
absolut!
Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist der kleinste Zwischenfall. Mercier hat dem jungen Aranda damals am Telefon jedes Wort geglaubt. Gott sei Dank. Hoffentlich tut er es noch immer.«
36
Dr. Raphaelo Aranda sprach mit angenehmer, ruhiger und tiefer Stimme. Er sprach in fast akzentfreiem Englisch. Die Stimme eines Toten ertönte, dozierend, klar, überdeutlich fast. Manuel saß reglos, die Hände auf den Knien. Schon einmal hatte er die Stimme eines Menschen vernommen, der tot war – Valerie Steinfelds Stimme. Und, wie um ihn immer und immer wieder darauf hinzuweisen, darauf hinzustoßen, daß diese beiden, sein Vater und Valerie Steinfeld, zusammengehörten, untrennbar und unlösbar, daß sie eins waren, auch noch im Tode, über den Tod hinaus eins, eins, eins, erklang nun die Stimme von Manuels Vater.
»Wir wissen«, sagte diese wohlklingende Stimme, »daß bakteriologische und chemische Waffen unendlich wirksamer sind als selbst Wasserstoffbomben. Zum einen können alle B - und C -Waffen ohne besondere Kosten hergestellt werden; zum andern bringen insbesondere B -Waffen mit einem Bruchteil des Risikos und einem Bruchteil des Aufwands eine millionen- und milliardenfach größere Erfolgsquote. Im Falle des von uns entwickelten Nervengiftes AP Sieben kann man getrost von einer trilliardenfachen Quote sprechen …«
Auf der silbernen Kinoleinwand des kleinen Vorführraums im Keller des Sicherheitsbüros erschien eine Graphik. Ein 16-Millimeter-Farbfilm lief ab. Er war mit Magnetton versehen. Die große Rolle hatte sich in dem schwarzen Karton befunden, der Groll und Manuel auf dem Westbahnhof ausgehändigt worden war.
»Wie hat mein Vater das nach Wien gebracht?« hatte Manuel gefragt, als er, noch im Wagen, die Filmrolle erblickte.
Groll hatte aus dem Fenster gesehen.
»Jemand von der argentinischen Botschaft war bei Ihnen, nicht wahr? Die Herren sind besorgt. Es gibt diplomatische Kuriere. Was sie befördern, wird nicht geöffnet und beim Zoll nicht untersucht. Ich könnte mir vorstellen, daß Ihr Vater …«
»Ach so.«
»Er wird ja wohl noch eine zweite Kopie des Films gebraucht haben.«
»Eine zweite?«
»Nun ja, für die Amerikaner und Russen«, hatte Groll gesagt.
Die Stimme des Dr. Raphaelo Aranda erklang, freundlich und bestimmt. Sie erläuterte die Graphik des Films: »Um alles menschliche, tierische und pflanzliche Leben auf der Fläche eines Quadratkilometers Erde zu vernichten, braucht man nach den Berechnungen des Mikrobiologen Professor Meselson von der Harvard-Universität rein quantitativ …« – ein Stab fuhr die Graphik ab – »… von dem amerikanischen Nervengift Sarin – zehn Tonnen. Es bildet sich da eine giftige Wolke in einer Höhe von hundert Metern …« Weiter glitt der Stab über die schwarzen Linien auf gelbem Grund. Weiter ertönte die Stimme von Manuels Vater: »Bei einer Wasserstoffbombe – ein Kilogramm. Bei giftigen Bakterien – ein Zehntelgramm. Bei giftigen Viren – ein Tausendstelgramm …« Die Stimme hob sich: »Bei unserem neuen Kampfstoff AP Sieben benötigt man –
nicht mehr als ein halbes Tausendstelgramm
…«
Manuel stöhnte.
Die Starre weicht, dachte Groll. Er sah den jungen Menschen besorgt an. Und ich kann dir nicht helfen, dachte er, ich kann dir nicht helfen. Niemand kann das. Die Filmapparatur stand zwischen ihnen auf einem festen Tisch. Vor dem Eingang des schalldichten Kellerraumes hatte der Hofrat zwei Beamte postiert. Weitere hielten sich im Stiegenhaus und beim Tor des Sicherheitsbüros auf. Im Widerschein der Leinwand sah Groll, daß
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