Und Jimmy ging zum Regenbogen
zuvor in der Hahngasse vis-à-vis dem Sicherheitsbüro geparkt hatte, und die neuen Männer der neuen Schicht zeigten ihm diesen Manuel Aranda, wie er das ›Ritz‹ verließ, und sie folgten dem Mercedes und zeigten Clairon Manuel Aranda wiederum, wie er das Gerichtsmedizinische Institut betrat. Clairon war am frühen Morgen in Wien gelandet. Sie fuhren den ganzen Vormittag hinter Manuel Aranda her und zeigten Clairon seinen Mann immer wieder, und am Nachmittag zeigten sie ihm die Filme und die Fotografien, die aus Buenos Aires stammten und mit der gleichen Maschine eingetroffen waren wie Manuel.)
»Ein Taschentuch …«
Endlich war der Graue fertig. Den zusammengerollten Mantel, den Anzug, die Schuhe und alles andere hatte er in einen großen Karton gepackt, den er nun schloß und mehrfach mit starkem Kupferdraht sicherte. Die zusammengeflochtenen Enden der Drähte schützte er durch Bleiplomben, die er mit einer schweren Zange eindrückte. Sie trugen Aufschrift und Siegel des Instituts. Dann ließ er Manuel die Listen unterschreiben. Wasser strömte noch immer irgendwo, und andere Männer mit anderen hohen Bahren, auf denen verdeckte Körper lagen, passierten den nassen Gang.
Manuel gab dem Angestellten einen Geldschein, dann stand er, den Karton an einem Griff tragend, reglos da, sah die metallbeschlagenen Türen in der Wand des großen Saals an, und dachte: Neben Mama sollen sie dich begraben. Ich werde nicht dabeisein. Ich werde hier sein, in Wien. Und ich will hierbleiben, bis ich die Wahrheit kenne, das schwöre ich dir, Vater, den ich liebe, den ich immer lieben werde …
»Wenn der Herr sich jetzt in die Verwaltung hinauf bemühen wollen«, sagte der Graue, höflich hüstelnd. »Da wären noch Formalitäten zu erledigen.«
In der Verwaltung erwarteten sie ihn bereits. Sie waren alle sehr ernst und sehr höflich. Sie konnten nichts dafür, daß sein Vater ermordet worden war – sie hatten ihre Vorschriften.
Sie gaben Manuel Formulare, die er selber ausfüllen mußte. Dann setzte einer von ihnen sich an eine Schreibmaschine und begann, andere Formulare nach den Angaben von Manuel vollzutippen. Dabei stellte sich heraus, daß noch Dokumente von der Polizei fehlten. Ohne diese Dokumente durften sie die Leiche nicht freigeben. Es gab Streit. Manuel sah ein, daß Streit sinnlos war. Er fühlte sich so elend und zerschlagen wie noch nie im Leben.
»Jetzt fahren Sie schön in die Berggasse, und da lassen Sie sich das alles geben, was ich hier aufgeschrieben habe, und dann kommen Sie zu uns zurück. Aber bis drei Uhr. Nachher ist hier geschlossen. Nein, halt, der Karton bleibt da, tut mir leid.«
»Aber …«
»
Vorschrift,
lieber Herr! Sie brauchen auch für die Übernahme des Eigentums ihres Vaters noch eine Vollmacht von der Polizei. Und weiter heißt es in der Vorschrift, daß wir das Eigentum
nur zusammen
mit dem Leichnam übergeben dürfen.«
»Also wann?«
»Ja, wenn Sie bis drei mit allen Papieren zurück sind, die noch fehlen, dann werden wir morgen früh alles für Sie bereit haben.«
»Morgen früh erst?«
»Was glauben Sie, was da noch zu erledigen ist. Ein passender Sarg muß her. Der Leichnam muß aus dem Kühlfach. Gar nicht so einfach. Wir brauchen noch einen zweiten, luftdichten Metallsarg für den Transport. Morgen früh um zehn, ja, da werden wir es geschafft haben. Jetzt fangen Sie nicht noch einmal an, Herr Aranda, wir tun nur unsere Pflicht. Schauen Sie lieber, daß Sie schnell in die Berggasse kommen.«
Also fuhr er in die Berggasse (und Clairon fuhr in dem Kapitän hinter ihm her), und die Beamten in der Berggasse erklärten, sie würden die Papiere bis zum nächsten Tag fertigstellen.
»Viertel eins. Seit zwölf kein Parteienverkehr mehr. Und nachmittags ist zu bei uns.«
Manuel regte sich auf. Er erhielt einen Verweis. Er verlor die Nerven und begann zu schreien, wobei er Mühe hatte, nicht zu weinen.
»Sie, also geschrien wird bei uns nicht, verstanden?«
Manuel wandte sich von dem Beamten ab und eilte zu Hofrat Groll. Der empfing ihn sofort. In seinem Vorzimmer saßen jetzt drei Sekretärinnen an Schreibmaschinen.
Groll war freundlich und ruhig wie immer. Er telefonierte.
»In zwanzig Minuten haben Sie alle Papiere«, sagte er danach.
»Ich danke Ihnen. Dann bin ich wenigstens morgen soweit. Die Sachen meines Vaters bekomme ich auch. Die will ich noch einmal ansehen. Ich kann sie ja mit dem Wagen abholen, den ich gemietet habe.«
Na also, dachte Groll. Genau,
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