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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Welt beschäftigte! Mit Pflanzenschutzmitteln! Mit Schädlingsbekämpfungsmitteln!«
    »Ja«, sagte Groll.
    »Warum sagen Sie immer ja?«
    »Weil ich Ihnen recht gebe«, antwortete Groll, holte ein langes, flaches Lederetui hervor und entnahm ihm eine Virginier, die er umständlich präparierte und ansteckte.
    Manuel Aranda setzte sich, wie zu Tode erschöpft. Er sagte leise: »Es ist Ihnen doch klar, daß ich nach dem, was Sie mir eben eröffnet haben, unter gar
keinen
Umständen heimfliegen werde!«
    »Unter gar keinen Umständen.« Groll nickte und blies eine blaue Rauchwolke aus. »Ich habe es Ihnen nur eröffnet, weil ich sah, daß Sie auch so unter gar keinen Umständen heimgeflogen wären, daß Sie auf
jeden Fall
Nachforschungen anstellen würden. Nun sind Sie gewarnt, wenigstens gewarnt.« Man kann den Jungen nicht einfach in den Tod schicken, dachte Groll. Das habe ich auch Hanseder gesagt. Manuel Aranda muß wissen, worauf er sich einläßt, was ihn erwartet.
    »Herr Hofrat«, sagte Manuel, unruhig atmend, »welche Macht, welcher Geheimdienst, welche Organisation kann Interesse daran gehabt haben, meinen Vater umzubringen? Sagen Sie es mir, ich bitte Sie! Ich flehe Sie an!«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Groll und dachte: Hier ist Schluß. Ich habe Hanseder versprochen, daß hier Schluß ist.
    »Sie wissen etwas! Sie wissen etwas!«
    »Nein, Herr Aranda.«
    »Was kann mein Vater denn
getan
haben, was kann er
gewußt
haben, daß er umgebracht wurde?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Groll und dachte: Eine halbe Lüge. Ich weiß es wirklich nicht. Nicht
genau.
    »Ich glaube, daß Sie mich belügen! Ich glaube, daß Sie viel mehr wissen, als Sie mir sagen! Ich glaube …« Manuel brach ab. »Verzeihen Sie«, sagte er und senkte den Kopf. »Ich bin vollkommen durcheinander. Überreizt. Ungerecht. Bitte, verzeihen Sie. Natürlich würden Sie mir alles sagen, wenn Sie mehr wüßten.«
    »Natürlich«, antwortete Groll mit unbewegtem Gesicht. Manchmal, dachte er, gibt es Situationen, da hasse ich meinen Beruf.
    »Aber daß diese alte Frau Steinfeld es getan hat …
Sie
kann doch nicht im Auftrag eines … oder doch?
Oder doch?
«
    »Warum nicht?« meinte Groll. Ich vermag es mir so wenig vorzustellen wie du, dachte er. Aber habe ich eine
andere
Erklärung?
    »Ja, warum nicht?«
    »Herr Aranda«, sagte der Hofrat. »Wien ist eine sehr große Stadt …«
    »Nicht so groß wie Buenos Aires!«
    »Nein, das nicht. Aber es ist auch nicht die Stadt, wie die Welt sie zu kennen glaubt …« Groll setzte sich an seinen Schreibtisch, er blickte abwesend auf das Ginkgo-Blatt.
    »Was soll das heißen?«
    »Es gibt eine helle Seite dieser Stadt«, sagte der Hofrat, die eine Hälfte des Blattes mit einer Hand bedeckend, »und es gibt eine dunkle.« Er bedeckte die andere Hälfte. »Das ist seit den Türkenkriegen so. Länger – seit die Römer hier waren. Viele, viele Jahrhunderte ist dieses Wien Frontstadt gewesen, ist hier gekämpft worden, heimlich oder offen. Und eine Frontstadt ist Wien geblieben, Frontstadt … Die Vergangenheit – bei uns wurde sie Gegenwart. Es hat sich nichts geändert.« Abwechselnd bedeckte seine Hand die Blatthälften. »Ost und West«, murmelte er. »Die Roten und die Schwarzen … diese Weltanschauung und jene … Kämpfe wurden hier ausgetragen, länger, als das Christentum währt …«
    »Zwischen Gut und Böse, jaja«, murmelte Manuel ungeduldig.
    »Sagen Sie nicht jaja, junger Mann! Gut und Böse gehören zusammen.«
    Die Hand strich über die eine Blatthälfte, dann über die andere. »Wer könnte das besser beurteilen als ein Mann in meinem Beruf? Wie oft ist für den einen böse, was für den anderen gut ist? Wieso
gibt
es überhaupt das Böse auf unserer Welt, wenn
Gott
doch gut ist? Nun, weil wir ihn nur so überhaupt existieren lassen können –
mit
dem Bösen …« Er bemerkte Manuels Blick und räusperte sich. »Gut und Böse«, sagte er laut, »was immer das ist,
jawohl!
Im Kampf miteinander über dieser Nahtstelle der Welt, genannt Wien …« Er zog an seiner Zigarre, er streichelte das Blatt. Manuel betrachtete ihn verwundert. »Ich weiß, für den Ausländer ist Wien die Stadt der Blauen Donau, der Spanischen Hofreitschule, der großen Sammlungen und Museen! Die Stadt Schönbrunns, des Belvedere und des Praters! Die Stadt von Lanner und von Strauß, des Burgtheaters und der alten Paläste, der Gärten und der Lichter, die Stadt der Fröhlichkeit und des

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