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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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hundertmal einer anderen Welt angehören, eine andere Kultur haben, vollkommen anders aussehen als wir, und wenn sie im letzten Weltkrieg noch gegen uns gekämpft haben!
    »… Stahlachse Tokio–Berlin–Rom …« Kratochwil dienerte jetzt vor Herrn Yoshida und dessen Verlobter.
    Das ist ungeheuerlich! dachte Valerie bebend. Wie der Dreckskerl dem Japaner nun auch noch hineinkriecht! Damit er nur ja keine Unannehmlichkeiten mit höheren Bonzen kriegt! Wie die beiden sich voreinander verneigen!
Mein
Paul, der hat im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz bekommen aus deutscher Hand – für Tapferkeit vor dem Feind. Und was ist er heute? Ein dreckiger Jude, den sie umgebracht hätten, wenn er nicht geflüchtet wäre.
    »Hahaha!« dröhnte der SS -Sturmbannführer, blutrot liefen die Schmisse in seinem zerhackten Gesicht an, während er Herrn Yoshida die Hand schüttelte und ihm auf die zierliche Schulter klopfte. »Also dann, nichts für ungut.« Er wandte sich an die junge Frau. »Und Ihnen wünsche ich alles Glück der Erde für Ihren Ehebund, Fräulein Wiesner.«
    »Also, das ist doch …«, begann Valerie, schneeweiß im Gesicht, am ganzen Körper zitternd vor Wut. Blitzschnell packte Landau ihren Arm und preßte ihn, so fest er konnte. Der Schmerz brachte Valerie halbwegs zu sich. Sie stöhnte auf: »Au!«
    Der Mann mit dem Ärztemantel über der Uniform fuhr herum. Seine Augen waren tückisch.
    »Gibt’s was?«
    »Nichts, nichts«, stammelte Landau.
    »Frau Steinfeld, nicht wahr?« Die Stimme des SS -Sturmbannführers wurde scharf. »Sie sagten etwas! Ich hörte es! Was war es denn? Ein Einwand etwa?«
    »Um Gottes willen!« rief Landau.
    »Was denn sonst? Ich möchte es wissen! Los, Frau Steinfeld, was denn sonst?« hetzte Kratochwil.
    Valerie antwortete, mit letzter Anstrengung, beherrscht: »Ich sagte nur, daß wir schon fast eineinhalb Stunden warten.«
    »Werden noch viel länger warten müssen. Ihr Sohn ist noch nicht fertig. Wir arbeiten gründlich hier. Bitte höflichst, sich in Geduld zu fassen, Frau Steinfeld.
Allerhöflichst!«
Kratochwil blickte Valerie verächtlich an, dann wandte er sich wieder Yoshida zu: »Alles Gute, mein Lieber! Kenne Japan nicht, leider. Soll aber auf große Studienreise gehen nach dem Endsieg! Bis dahin – Heil Hitler!« Kratochwil riß eine Hand empor.
    »Heil Hitler!« sagte Herr Yoshida.
    »Heil Hitler!« sagte Fräulein Wiesner.
    Auch sie hatten die Arme gehoben.
    Glücklich lächelnd verließen sie den Warteraum. Sturmbannführer Odilo Kratochwil sah ihnen zufrieden nach. Valerie und Landau würdigte er keines Blickes. Er verschwand hinter der Tür, die er krachend hinter sich zuwarf.
    »Diese Hunde«, flüsterte Valerie. »Hunde! Hunde! Hunde!«

28
    »Um halb fünf waren wir alle drei dann endlich untersucht und durften gehen«, erzählte Martin Landau. Er hatte während seines Berichtes noch eine Portion Kaffee bestellt – mit viel Schlagsahne. »Heinz war bester Laune, Valerie einem Zusammenbruch nahe. Ich auch. Diese Kerle hatten uns alle behandelt wie ihr Chef. Heinz schien das nicht wahrzunehmen. Der letzte Dreck waren wir für die. Sogar ich, mit meinem Parteiabzeichen!«
    »Und man sagte kein Wort über die Untersuchung?«
    »Natürlich nicht. Die redeten kaum mit uns. Nur wenn es unbedingt erforderlich war. Heben Sie den Arm, drehen Sie den Kopf, ausatmen, einatmen – mehr nicht. Da war die junge Ärztin in der Sensengasse viel freundlicher!«
    »Die junge Ärztin wo?«
    »Im Gerichtsmedizinischen Institut. Was haben Sie denn? Warum schauen Sie so – ach, weil Ihr Vater auch dort …«
    »Ja«, sagte Manuel, »weil mein Vater auch dort …« Im Kreis, dachte er, nun hat diese Geschichte sich völlig im Kreis gedreht, nun ist er geschlossen. Geschlossen um ein Geheimnis …
    »Die Blutabnahme für die Gruppenbestimmung ging ganz schnell«, erzählte Landau weiter. »Sie nahmen uns das Blut aus den Fingerspitzen …« Er fuhr entsetzt herum, denn jemand hatte ihn an der Schulter gepackt. Es war seine Schwester. Sie trug wieder ihren Persianermantel, der mit Nerz verbrämt war, und die mit Nerz verbrämte Persianerkappe.
    »Hab ich dich endlich erwischt!« sagte sie leise.
    »Wer hat dir verraten …«
    »Niemand«, sagte Tilly Landau. »Aber es ist mir in den letzten Tagen aufgefallen, daß du am Abend manchmal so nervös warst, wenn ich dich abholte. Und dann das Gerede von dieser Bibliothek, die du kaufen wolltest. Ich habe im Geschäft gefragt.

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