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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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nur zurück und nicht nach außen? Jeder liebt sich selber nur am meisten? – Oh, so seid ihr alle drei betrogene Betrüger! Eure Ringe sind alle drei nicht echt. Der echte Ring vermutlich ging verloren. Den Verlust zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater die drei für einen machen …«
    Manuel dachte: Ich kannte schöne Frauen in Buenos Aires. Natürlich war ich beliebt. Der reiche Junge. Sohn eines großen Unternehmers. Ich hatte Glück bei Frauen. Hauptsächlich deshalb, ich mache mir nichts vor. Wie hießen diese Frauen, wie sahen sie aus? Ich weiß es kaum noch. Ich weiß nur eines: Keine war wie Irene, die Tochter der Mörderin meines Vaters!
    Sie, die nie wissen wird, daß ihre Mutter eine Mörderin war. Ihr, ausgerechnet ihr mußte ich begegnen. Wenn ich sie fragte, ob sie mit mir kommen, ob sie mich heiraten möchte – würde sie mit Nein antworten? Ach, mit Nein, gewiß. Das alles ist doch Wahnsinn. Wieso eigentlich? Wahnsinn, weshalb? Darf ich sie fragen? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht … Der Richter, hatte Ernst Deutsch dem Sultan erzählt, wollte die drei Söhne fortschicken, doch dann gab er ihnen noch einen Rat …
    »… mein Rat ist aber der: Ihr nehmt die Sache völlig wie sie liegt. Hat von euch jeder seinen Ring von seinem Vater: So glaube jeder sicher seinen Ring den echten. – Möglich: daß der Vater nun die Tyrannei des
einen
Rings nicht länger in seinem Hause dulden wollte! Und gewiß, daß er euch alle drei geliebt, und gleich geliebt …«
    Wenn er mich fragte, dachte Irene, wenn er mich doch fragte! Ja, ich würde mit ihm gehen! Alles hier aufgeben. Die Apotheke verkaufen oder verpachten. Mich hält nichts mehr. Oder doch? Die Eltern?
    »Wohlan!« ertönte die Stimme Nathans, der vom Rat des Richters erzählte. »Es eifre jeder seiner unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nach! Es strebe von euch jeder um die Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag zu legen! Komme dieser Kraft mit Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, mit innigster Ergebenheit in Gott zu Hilf’! …«
    Ich würde meine Eltern verlassen, dachte Irene, um mit Manuel gehen zu können. Die alte Agnes hat ihren Geistlichen Herrn. Meine Eltern haben einander. Ob er mich fragt?
    Ob ich es wagen darf, sie zu fragen? dachte Manuel.
    »… und wenn sich dann der Steine Kräfte bei euren Kindes-Kindeskindern äußern: So lad’ ich über tausend tausend Jahre sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird ein weis’rer Mann auf diesem Stuhle sitzen als ich und sprechen. – Geht! – So sagte der bescheidne Richter …«
    Irene wandte plötzlich den Kopf und sah Manuel an.
    »Wunderbar«, sagte sie. »Nicht wahr?«
    »Ja«, sagte er atemlos, »ganz wunderbar.«
    Danach blickten sie beide schnell nach vorne zu der Mattscheibe, und sie sprachen nicht miteinander, sie sahen sich nur immer wieder von der Seite an. Aber als Lessings ›Dramatisches Gedicht‹ zu Ende war, verriet keiner dem andern einen einzigen seiner Gedanken. Sie waren plötzlich beide sehr verlegen. Manuel verabschiedete sich bald. Irene begleitete ihn hinunter, denn sie mußte das Haustor aufschließen. Es schneite noch immer.
    Das Licht im Stiegenhaus erlosch.
    Wird er mich küssen? dachte Irene.
    Ich möchte sie so gerne küssen, dachte Manuel. Aber ich wage es nicht.
    »Gute Nacht, Irene«, sagte er.
    »Gute Nacht, Manuel«, antwortete sie.

26
    »Sie machen sich keine Vorstellung davon, was die bei der anthropologischen Untersuchung aufführten! Was die alles untersuchten! Die irrwitzigsten Messungen nahmen sie vor! Und ein gewaltiges Instrumentarium gab es …« Martin Landau holte Atem. »Vorgeschrieben vom Reichssippenhauptamt, in Erlassen und Paragraphen und Weisungen festgelegt für Untersuchungen zur Rassenbestimmung, für Vaterschaftsprozesse, Abstammungsprozesse, Klärung der Frage, ob ein Mensch im Zweifelsfalle zur nordischen, arischen Herrenrasse gehörte oder zu einer minderwertigen Rasse von Sklavenvölkern, Untermenschen, Tiermenschen, die eben noch geeignet waren für schwerste Arbeit oder ausgemerzt werden mußten vom Antlitz der Erde – nach dem Willen von so fetten Schweinen wie dem Pornographen und Judenhasser Streicher, dem aufgeschwemmten, versoffenen Doktor Ley, dem kleinen Doktor Goebbels mit seinem Klumpfuß, dem morphiumsüchtigen Göring, dem halbirren Heß, immerhin dem Stellvertreter des Führers, von Quadratschädeln mit Specknacken, Psychopathen, Drüsengestörten, pervertierten

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