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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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sorgenvoll flüsterte er mit der um so viel größer wirkenden jungen Frau. Valerie trug ein leichtes Sommerkleid, Landau einen hellen Anzug. Er beobachtete seine Freundin unglücklich. Sie wurde immer nervöser, rutschte auf der Bank herum, schlug andauernd ein Knie über das andere und betupfte die schweißfeuchte Stirn mit einem Taschentuch. Sie denkt an Heinz, natürlich, überlegte Landau. An Heinz, der hinter einer dieser Türen halbnackt oder nackt vor SS -Doktoren und SS -Dozenten steht und gewogen, gemessen, abgezirkelt und vom Kopf bis zu den Füßen begutachtet wird …
    Mehrmals versuchte Landau, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber Valerie antwortete nicht. Ihr Gesicht war bleich, sie konnte die Hände nicht ruhig halten. Nun, nach mehr als einer Stunde, sagte sie gleichermaßen angsterfüllt und zornig: »Wie lange brauchen die denn noch? Das ist ja zum Verrücktwerden …«
    »
Valerie!
« Landau konnte sie eben noch zum Schweigen bringen, als eine Tür aufflog und ein sehr großer, starker Mann in das Wartezimmer trat. Er hatte millimeterkurz geschnittenes blondes Haar, Schmisse in dem kantigen Gesicht, und er trug einen weißen Ärztemantel. Man sah jedoch auch eine schwarze Uniformhose, Schaftstiefel und den Kragen eines Braunhemds mit schwarzem Schlips.
    Dieser Arzt nahm von Valerie und Landau keinerlei Notiz, sondern wandte sich sofort an den kleinen Japaner.
    »Herr Yoshida …«
    Der Japaner sprang auf und verneigte sich lächelnd. Seine Begleiterin sah plötzlich ängstlich aus.
    »Zu Ihren Diensten«, sagte Herr Yoshida sanft.
    Der andere stellte sich vor: » SS -Sturmbannführer Doktor Kratochwil, Heil Hitler!«
    » SS -Sturmbannführer Kratochwil? Sie sind der Leiter des Instituts!« Der kleine Japaner sprach mit schwerem Akzent deutsch.
    Valerie und Landau hörten gespannt zu.
    »Der kommissarische Leiter, jawohl.« Privatdozent Dr. Odilo Kratochwil hatte eine abgehackte, markige Art zu reden. Er hielt zwei Papiere in der Hand. »Kam heute später. Dringende Sitzung im Gauhaus. Finde Ihre Vorladungen auf meinem Schreibtisch. Schweinerei. Wahnsinnige Schweinerei!«
    »Schweinerei, ich bitte, wieso?« flüsterte Herr Yoshida.
    Kratochwil wippte ein paarmal in den Knien.
    »Haben ein paar Kerle wieder Mist gemacht. Schon zusammengestaucht worden von mir. Ihre Vorladung erhielten Sie über die Adresse des japanischen Generalkonsulats?«
    »Ja, Herr Sturmbannführer. Da arbeite ich nicht nur, da wohne ich auch. Fräulein Wiesner erhielt ihre Vorladung am gleichen Tag. Wir sind sehr besorgt. Nach einer so langen Verlobungszeit … Wir haben sie den Behörden doch gemeldet … Niemand hat etwas einzuwenden gehabt … Das Aufgebot ist bestellt … Und da sollen wir nun zuerst noch untersucht werden …«
    Valeries Lippen waren nur ein Strich, ihre Augen halb geschlossen.
    »Das ist es ja!« polterte Odilo Kratochwil, der so nonchalant Uniform und Arztmantel kombinierte. »Sie werden vorgeladen, weil ein vertrottelter Übereifriger auf dem Standesamt uns benachrichtigt hat und weil es bei uns – Gott sei’s geklagt! – eben auch ein paar Idioten gibt, die nicht wissen, was sie unseren Verbündeten in diesem Weltenkampf schuldig sind!«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Herr Yoshida, und Sie, gnädiges Fräulein, Sie wurden zu Unrecht vorgeladen! Sie benötigen kein Rassengutachten, um zu heiraten! Erlaß des Führers! Die heroische japanische Rasse ist der nordisch-arischen völlig ebenbürtig und gleichgestellt!«
    Die junge Frau sprang auf.
    »Dann dürfen wir also heiraten?«
    »Natürlich dürfen Sie heiraten!« Sturmbannführer Kratochwil verneigte sich charmant.
    Valeries Hände ballten sich zu Fäusten. Landau sah es entsetzt.
    Die beiden dürfen heiraten! hetzten Valeries Gedanken. Der kleine, schlitzäugige Japaner und die große deutsche Frau. Heiraten dürfen die! Und mein Heinz, den haben sie aus der Schule geworfen, der muß jeden Morgen um fünf Uhr aus dem Bett und als Hilfsarbeiter schuften, bloß weil er ein arisches Mädchen geküßt hat.
    »… alte Samurai-Tradition, stolze Heldenrasse …«, hörte sie den Kerl im weißen Mantel, diesen uniformierten Menschenschinder, sagen, während ihre Gedanken weiterjagten: Der kleine Japaner kann ja nichts dafür!
    Aber was sind das für Rassengesetze? Was ist das für ein verbrecherischer Betrug, das alles? Weil Japan in diesem Krieg an unserer Seite kämpft, sind die Japaner also so fein wie die feinsten Arier! Und wenn sie

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