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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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die Frauen lieben die Sieger. Außerdem ist deine Position mit meiner nicht zu vergleichen. Ich habe mich viel mehr exponiert – leider. Nichts zu machen. Der Ehrgeiz, Liebling, der Ehrgeiz! Jetzt bin ich sein Opfer. Es ist nötig, an die Zukunft zu denken, gute Taten zu tun – wie du zum Beispiel.«
    »Ich?«
    »Nun, in dieser Steinfeld-Geschichte.« Er nahm auch eine Zigarette. »Da tust du doch tapfer viel Gutes. Das wird man dir später hoch anrechnen. Deshalb möchte ich es dir gleichtun.«
    »Das heißt …«
    »Daß du auf meine Verschwiegenheit, meine Sympathie und meine Mitarbeit rechnen kannst.« Er verzog den Mund. »Keine Gefühlsausbrüche, bitte. Du verstehst jetzt, warum ich so großmütig bin. Ich muß versuchen, es auch noch in anderen Fällen zu sein. Damit ich Freunde habe, wenn man mich anklagt, wenn ich vor einem alliierten Gericht stehe. Das wäre natürlich die Voraussetzung: daß Frau Steinfeld dann ausführlich und dankbar erklärt, wie wunderbar ich mich in ihrem Fall benommen habe. Ich stelle mir vor, sie wird das tun, wie?«
    »Natürlich, Carl, natürlich …«
    Nora nickte.
    Schon ein Kerl, dieser Carl Flemming, schon ein Kerl, dachte sie.
    »Nun zum größeren Problem, mein Liebling: Carlson, das verfluchte Schwein.«
    »Er ist nicht normal, Carl! Er muß geisteskrank sein …«
    »Nicht eben beruhigend, wenn du recht hast. Und ich fürchte, du hast recht«, sagte Flemming. »Was soll mit ihm geschehen? Ich kann ihn zur Rede stellen. Anzeigen. Verhaften lassen. An die Front, in eine Strafkompanie bringen lassen kann ich ihn auch noch. Die Beziehungen habe ich. Sogar KZ könnte ich ihm besorgen – Kaltenbrunner wäre mir sicher gern behilflich. Aber«, sagte Flemming, »das alles ist zu gefährlich. Viel zu gefährlich. Denn dieser Hundsfott würde überall erzählen, daß du in der Steinfeld-Geschichte steckst und daß ich dich decke.« Flemming begann wieder zu pfeifen und umherzuwandern, kam dann plötzlich zu Nora und küßte sie auf die Stirn. »Geh schlafen, Liebling. Ich muß über diese Sache nachdenken …« Er küßte sie noch einmal. Danach verließ er das Zimmer.

32
    »Carl Flemming hatte sein Appartement auf der anderen Seite des Hauses«, sagte Nora Hill. »Nach dem Kriege wurde hier alles umgebaut.«
    Die Frau in dem leuchtend bunten Hosenanzug erhob sich geschmeidig und schwang auf ihren Krücken behende zu dem Fernsehapparat. Sie drückte zwei Knöpfe.
    »Ich zeige Ihnen einmal, wie sein früheres Arbeitszimmer heute aussieht. Muß ohnedies einmal nachschauen, was die Trauergemeinde macht.« Harmoniumspiel ertönte, während die Mattscheibe sich langsam erhellte. »Na, Gott sei Dank, alles in Ordnung, keine Nervenzusammenbrüche, keine hysterischen Anfälle.«
    Manuel erblickte den großen, völlig in Schwarz gehaltenen Raum, den Nora ihm bei dem Rundgang anläßlich seines ersten Besuches kurz präsentiert hatte. Silberne Kandelaber mit hohen, brennenden Kerzen standen in diesem Zimmer, große Vasen mit weißen Lilien. An einer Seitenwand erblickte Manuel ein liebevoll aufgebautes kaltes Buffet.
    Ungefähr ein Dutzend Frauen saßen auf schwarzen Stühlen. Sie trugen alle Trauer – schwarze Kleider, Schuhe, Strümpfe, lange Handschuhe, kleine Hütchen, manche mit kurzen Schleiern. Einige hatten dunkle Sonnenbrillen aufgesetzt. Schmerzerfüllt waren die Gesichter der eleganten Versammlung. Eine sehr dicke Dame saß vor einem kleinen Harmonium und ließ die erstaunlich schlanken Finger über die Tasten gleiten.
    »Merci, chérie, für die Stunden, chérie«, sagte Nora Hill ernst.
    »Bitte?«
    »Das war sein Lieblingslied«, erklärte Nora überschattet, während die dicke Dame am Harmonium weiterspielte und eine andere Dame laut zu schluchzen begann.
    »Lieblingslied von wem?« fragte Manuel.
    »Von Zigaretten-Wolfi.«
    »Zigaretten-Wolfi?«
    »Er war bei mir angestellt. Nicht nur als Zigarettenboy. Er half den Mixern, er half in der Küche, er war unerhört fleißig. Sie haben ihn nicht mehr gesehen. Er lag schon seit ein paar Wochen in der Klinik, als Sie zum erstenmal kamen. Gestorben, der arme Kerl. Heute war das Begräbnis auf dem Hietzinger Friedhof. Georg ging hin – für mich. In diesem Schnee kann ich mich nur schwer bewegen. Georg sagt, es war unerhört feierlich. Blumen und Kränze zu Bergen. Auch einen Knabenchor gab es. Der sang: ›So nimm denn meine Hände‹ …« Nora wies auf die Mattscheibe. »Das da sind die erschütterten

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