Und Jimmy ging zum Regenbogen
Stunden ereignet hatte. War Flemming inzwischen mit dieser Hure zusammengewesen? Hatte sie ihm trotz aller Drohungen etwas erzählt? Viel erzählt? Wenn ja, was hatte Flemming dann jetzt vor? Heiß schoß Furcht in Carlson hoch. Er beleckte die trockenen Lippen.
Flemming drehte sich um und sah ihn lächelnd an.
»So, da wäre das ganze Zeug.« Er musterte Carlson. »Was ist los mit Ihnen?«
»Nichts, Chef, nichts … Ich … Mir ist nicht ganz gut …« Carlson war sich immer noch nicht sicher.
»Nicht gut? Dann trinken wir aber einen vor der Fahrt!« Flemming ging zur Bar und goß Cognac in die beiden Gläser, welche er etwas abseits gestellt hatte. Die pulverförmige Substanz in dem einen Glas löste sich auf, Splitter der Kapsel waren nicht zu sehen.
»Sehr liebenswürdig, Chef …« Also sie hat nichts erzählt, die süße Hure, dachte Carlson. Natürlich nicht. Ist ja nicht wahnsinnig. Setzt doch nicht ihr Leben aufs Spiel. Schon alles in Ordnung. Der Alte weiß nichts. »Aber wenn ich fahren muß …«
»Was denn!« Flemming hielt Carlson ein Glas hin. »Von dem Schluck werden Sie ja nicht gleich besoffen sein! Prost!«
»Ihr Wohl, Chef«, sagte Chauffeur Albert Carlson.
Es waren die letzten Worte, die er in seinem Leben sprach. Nachdem er den Inhalt des Glases in einem mächtigen Schluck hinuntergekippt hatte (sehr gut, dachte Flemming, so hat er nun auch die Splitter im Mund), ging alles sehr schnell. Carlsons Gesicht wurde grünlich-weiß, seine Lippen verfärbten sich bläulich, er ächzte, griff sich an den Hals und begann zu taumeln. Das Glas fiel aus seiner Hand. Er stürzte auf den Teppich. Hier begann ein kurzer, schrecklicher Todeskampf. Carlsons Körper verdrehte und verrenkte sich völlig, Schaum quoll aus seinem Mund, die Augen traten aus den Höhlen, er röchelte.
Flemming stand an den Schreibtisch gelehnt. Ruhig zündete er eine Zigarette an, griff wieder nach seinem Glas und trank zufrieden. Er sah dem Mann zu, der vor ihm unter gräßlichen Schmerzen starb. Ihre Augen begegneten sich. Flemming lächelte. Im Augenblick seines Todes erkannte Chauffeur Carlson die Wahrheit. Er streckte eine Hand aus und richtete sich etwas auf. Die Anstrengung war zu groß. Im nächsten Moment brach er zusammen und lag still. Er war tot. Ein Geruch nach bitteren Mandeln begann sich im Raum zu verbreiten.
Pfeifend trat Flemming neben den Mann, den er soeben ermordet hatte, und nahm das Glas, das nicht zerbrochen war, weil Carlson es auf den weichen Teppich hatte fallen lassen. Flemming untersuchte das Glas genau. Einzelne Splitter der Kapsel klebten an seiner Innenseite. Noch einmal ging Flemming ins Badezimmer, fischte die Splitter Stück um Stück heraus und spülte sie fort. Dann wusch er sich neuerlich die Hände, kehrte in das Arbeitszimmer zurück und legte das Glas dort nieder, wo es hingefallen war. Er holte die Kamera hervor, wischte sie sorgfältig mit einem Taschentuch ab und preßte einige Finger des Toten auf das Metall des Fotoapparats. Danach förderte er aus der Brusttasche seiner Jacke ein Duplikat des Yale-Schlüssels für seinen Schreibtisch zutage und drückte Carlsons Finger auch gegen ihn. Er berührte die beiden Gegenstände nicht mehr mit bloßen Händen, sondern hielt sie in das Taschentuch geschlagen. Schnell verließ er das Arbeitszimmer und eilte durch das runde Stiegenhaus der stillen Villa nach unten.
Im Souterrain lag Carlsons Zimmer. Flemming drückte die Türklinke mit dem Ellbogen. In einer Hand hielt er die in das Taschentuch eingeschlagene Kamera und den Schlüssel. Mit einem zweiten Tuch drehte er den Lichtschalter an, sah sich kurz suchend um und stieg dann auf Carlsons Bett, dessen Kopfende beim vergitterten Fenster stand. Die Vorhänge waren zugezogen. Sie hingen an Laufschienen, die durch eine mit Stoff überzogene Schabracke verborgen waren. Zwischen Decke und Schabracke gab es einen kleinen Spalt. In ihn schob Flemming vorsichtig, immer ein Taschentuch benützend, die Kamera und den Duplikat-Schlüssel. Er sprang vom Bett, löschte das Licht und schloß die Tür von außen mit dem Ellbogen. Die Taschentücher steckte er ein, während er zu seinem Arbeitszimmer im ersten Stock zurückeilte. Über den Toten hinweg trat er an den Schreibtisch, trank einen Schluck aus seinem Glas und wählte dann auf dem normalen Telefon eine Stadtnummer.
Es meldete sich die Vermittlung der Gestapo-Zentrale im Hotel ›Metropol‹ am Morzinplatz.
»Flemming.« Der große,
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