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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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schon halb auf unserer Seite war!«
    »Jetzt wird er es kaum mehr sein«, stöhnte Landau.
    »Inzwischen kriegen wir mehr und mehr Prügel – an allen Fronten. Und ob er auf unserer Seite sein wird, der Feigling!« rief Valerie und überlegte: Wunschdenken, Martin hat recht, das alles wünsche ich mir nur. »Was ist los mit dir? Bisher warst du so mutig. Und nun, auf einmal …«
    »Ich war nie mutig«, sagte der zierliche Mann leise. »Ich habe mich nur wahnsinnig zusammengerissen. Jetzt … jetzt komme ich mir vor wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht.«
    »Du wirst dir noch ganz anders vorkommen, wenn du jetzt nicht mitspielst und die Partei dir auf den Hals rückt mit deinem Meineid«, sagte Tilly scharf.
    Er zuckte zusammen.
    »Ja«, stotterte er, »ja, das ist wahr … Ich … habe ja überhaupt keine Wahl … Ich muß weiter mitmachen …«
    »Und mit Überzeugung und mit Gefühl«, sagte Tilly drohend.
    Aus Angst um ihren Bruder ist sie meine Verbündete geworden, dachte Valerie.
    »Also auf mich kannst du rechnen«, sagte Tilly. »Und auf den Martin auch. Den bearbeite ich schon noch, verlaß dich drauf. Wir müssen vor der nächsten Verhandlung natürlich noch alles genau besprechen.«

37
    »… du kannst dir sicherlich vorstellen, wie schwer es mir fällt, das alles zu erzählen, mein Junge«, sagte Valerie, mühsam nach Worten suchend. »Aber nun hat die Untersuchung ergeben, daß Onkel Landau nicht dein Vater sein kann – also muß es Ludwig Orwin sein. Du erinnerst dich doch noch an den Onkel Ludwig? Er hat dir immer Spielzeug mitgebracht, und Märchen vorgelesen hat er dir auch, als du noch ganz klein warst …«
    Heinz Steinfeld antwortete nicht. Er saß, in einem Pyjama, auf dem Rand seines Bettes und sah die nackten Füße an. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, fand Valerie, die neben ihm saß. Heinz ging stets bald nach seiner Heimkehr zu Bett – er mußte sehr früh aufstehen, um rechtzeitig in die Fabrik zu kommen.
    »Erinnerst du dich nicht an den Onkel Ludwig?« Valeries Stimme klang drängend.
    »Doch, doch, ich erinnere mich an ihn«, sagte Heinz, ohne aufzublicken.
    »Du mußt gar keine Angst haben! Wir werden den Prozeß weiterführen, ich werde das, was ich dir erzählt habe …«
    »Dem Gericht erzählen.« Es klang harmlos, doch sie sah ihn gespannt an. Er wich ihrem Blick hartnäckig aus.
    »Dem Gericht erzählen, natürlich!« Valerie griff sich an den Hals. »Onkel Martin ist so vor den Kopf gestoßen wie du, seit ich ihm gesagt habe, daß ich auch mit … mit Onkel Ludwig … Aber du weißt nicht, wie meine Ehe war, Heinz … Niemand weiß das wirklich … eine Hölle, ja, eine Hölle!«
    »Du mußt nicht so schreien, Mami«, sagte Heinz. Jetzt betrachtete er seine Fingernägel. »Und dich nicht so aufregen.«
    »Natürlich muß ich das!« Valerie hatte das Gefühl, daß sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen würde. Aber ach, dachte sie, ich kann ja nicht mehr weinen. Ich wünschte, ich könnte es noch, so wie früher. Ich habe das Weinen verlernt. »Onkel Martin und Onkel Ludwig … Die besten Freunde waren sie … Und ich habe sie beide hintergangen …«
    »Und deinen Mann auch.« Plötzlich war die Stimme des Jungen hart.
    »Was heißt das? Freilich den auch!«
    Nun sah er sie an, kühl, sachlich.
    »Was hast du, Heinz? Glaubst du mir etwa nicht?«
    Er fragte langsam: »Du hast ihn ganz sicher betrogen, deinen Mann, ja?«
    »Ja! Ja!«
    »Das kannst du beschwören – bei meinem Leben, nicht vor irgendeinem Richter? Bei meinem Leben?«
    Valerie antwortete mit fester Stimme: »Bei deinem Leben, ja, Heinz.« Er sah sie immer weiter an, sie hielt seinen Blick kaum aus, aber sie zwang sich, ihn zu ertragen. Nun habe ich beim Leben meines Jungen falsch geschworen, dachte sie.
    »Na ja«, sagte Heinz.
    »Was heißt das nun wieder? Was hast du denn?«
    »Ach weißt du, Mami, ich bin ja kein Idiot. Und wenn man kein Idiot ist, dann fragt man sich in einer solchen Situation natürlich: Lügt die Frau« (›die Frau‹ sagt er von mir, dachte Valerie entsetzt) »nicht und schwört jeden Meineid, nur weil sie ihren Sohn, der einfach ein Halbjud ist, zum Arier machen will? Das ist doch verständlich, daß man sich das fragt! Jeder Richter wird sich das fragen.«
    »Aber so ist es nicht«, rief Valerie. »So ist es nicht, Heinz, ich habe es dir doch geschworen!«
    »Nicht«, sagte er leise.
    »Was nicht?«
    »Du sollst nicht so schreien. Und dich nicht so

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