Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Zeugen die Wahrheit erzählen – wenn die Geschichten, die man hört, manchmal auch noch so phantastisch klingen. Und nichts wünscht das Reichssippenhauptamt weniger als eine Fehlentscheidung, als ein Urteil, das einen arischen, wertvollen Menschen hinabstößt in den Sumpf des Judentums. Gerade diese Prozesse, lieber Peegee Arnold, werden mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt!«
    »Sehr freundlich von Ihnen, mir das zu sagen, Herr Ministerialrat.« Richter Arnold dienerte im Sitzen. »Wirklich sehr freundlich. Man muß doch schließlich wissen, worauf die Herren in Berlin besonderen Wert legen. Ich, hier in Wien, nur ein kleiner Landgerichtsdirektor …«
    »Keine falsche Bescheidenheit! Wien ist die zweite Stadt im Reich! Und von wegen kleiner Landgerichtsdirektor – ich habe da etwas läuten gehört, daß ein Oberlandesgerichtsrat ins Haus steht!«
    »Tatsächlich?« Arnolds runder, kleiner Mund öffnete sich. Ein Mund wie ein – na ja, dachte Klever, während er lächelnd sagte: »Bleibt aber unter uns …«
    »Selbstverständlich, Herr Ministerialrat!«
    »Weiß nicht, wann das beschlossen wird … kann noch eine Weile dauern …« Muß ich in Berlin durchsetzen, dachte Klever. Gott behüte, eine Beförderung! Das bringe ich noch fertig. »Aber wenn Sie so weitermachen, mein Guter, wenn Sie so weitermachen …«

42
    »Ja, so hat mein alter Freund den neuen Richter also präpariert«, sagte Forster. »Das war vielleicht eine Flasche, dieser Arnold! Die erste Verhandlung nach Erstellung der Gutachten unter seinem Vorsitz fand erst am zehnten September 1943 statt.«
    »So spät?«
    »Gerichtsferien!«
    Forster reichte Manuel mehrere zusammengeklammerte Papiere.
    »Das Sitzungsprotokoll. Wieder ausgefertigt von dieser teiggesichtigen, gelangweilten Bohnen. Sie blieb uns erhalten, die Bohnen«, sagte Forster. »Hier, schauen Sie einmal: ›Aufruf zur Sache: 9 Uhr 35 …‹«
    Manuel las: ›Wegen Richterwechsels wird die Verhandlung gemäß § 412 neu durchgeführt. Die gefaßten Beweisstücke werden wiederholt, die Ergebnisse der bisherigen Verhandlung an Hand der Akten und die Ergebnisse der angeordneten Untersuchungen an Hand der Gutachten verlesen, im Einverständnis mit den Parteien …‹

43
    »Tja«, sagt Landgerichtsdirektor Engelbert Arnold, die Würstchenfinger ineinanderflechtend und Valerie fixierend, »damit dürfte der Fall wohl klar liegen, Frau Steinfeld. Herr Landau kann nicht der Vater Ihres Sohnes sein. Über gesicherte wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse vermag sich niemand hinwegzusetzen.«
    Er thront auf dem Stuhl, auf dem bei der ersten Verhandlung noch der Dr. Gloggnigg gethront hat, wir sind im gleichen Saal 29, im dritten Stock des Justizpalastes. Heute fällt das Licht einer milden Herbstsonne durch die Fenster.
    Neben dem rosigen Arnold hockt – während sie schreibt, bohrt sie kurz in der Nase – die schlampige Stenographin Bohnen, stumpf und dumpf der Gesichtsausdruck, aber eine Arierin, eine Arierin, denkt Valerie, die an der Seite Dr. Forsters hinter dem Tisch rechts vom Richter sitzt. Gegenüber sitzt der Kurator Dr. Kummer.
    Valerie – sie trägt ein braunes Kostüm – ist heute als einzige Beteiligte in diesem Prozeß geladen worden, denn es geht bei der Sitzung ja nur um das Ergebnis der Beweisaufnahme, und da diese vernichtend ausfiel, wird man den Fall sofort mit einer Abweisung der Klage beenden können, so jedenfalls beurteilt Richter Arnold die Sache.
    Kurator Kummer hat draußen auf dem Gang einen schlanken, schwächlichen Mann gesehen. Saß vor der Tür zu Saal 29, der Mann. Als erwarte er, irgendwann aufgerufen zu werden. Der Anblick dieses Menschen, der ihn an irgend jemanden erinnerte, machte Kummer vorsichtig. Langsam, langsam, man kann nie wissen, nie …
    »Frau Steinfeld!« sagt Arnold, da er von der starr dasitzenden Valerie keine Antwort erhalten hat.
    »Ich …«, beginnt sie nun, als sich neben ihr Forster zu seiner ganzen Größe erhebt. Er spricht betont gleichmütig: »Ich setze das Gericht davon in Kenntnis, daß meine Mandantin mich nach Erhalt der Blutgruppenbescheide aufsuchte und mir die Mitteilung machte, sie hätte in der fraglichen Zeit vor der Geburt ihres Sohnes auch noch Beziehungen zu einem andern Mann unterhalten.«
    Der Landgerichtsdirektor Arnold denkt: Natürlich eine Lüge. Aber etwas Neues. Das hatte ich noch nicht. Vorsicht, Vorsicht. Nicht hinreißen lassen. Korrekt und sachlich bleiben. Was hat der

Weitere Kostenlose Bücher