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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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süß. Er hatte plötzlich irrsinniges Verlangen nach Irene, er sah und hörte und fühlte in Sekunden alles noch einmal – den einsamen Park, den zugefrorenen See, die Eichhörnchen, das Gespräch über Heinz, die Umarmung, den Kuß …
    »… war dieser Arnold, ein ganz Ergebener, Übereifriger, stets voll Angst, er könnte etwas falsch machen«, erreichte Forsters Stimme wieder Manuels Bewußtsein. »Und ebenfalls zum Glück war damals, im Juli 1943, wieder einmal mein Freund Peter Klever aus Berlin zu Besuch hier. Natürlich trafen wir uns. Natürlich machte er mir wieder Vorwürfe für mein Verhalten, das die Wiener Anwaltskammer mehr und mehr in Zorn versetzte, und natürlich half er mir dann zuletzt doch wieder, der gute Peter …«

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    »Es ist mir eine besondere Freude, Ihnen mitteilen zu können, wie zufrieden man mit Ihrer Arbeit in Berlin ist, Herr Landgerichtsdirektor. Sie ersetzen Ihren Vorgänger, den Kollegen Gloggnigg, vollkommen, tatsächlich vollkommen!« Ministerialrat Dr. Peter Klever verzog sein breites Gesicht zu einem Lächeln, die buschigen Augenbrauen tanzten. Der schwere, große Mann, der in Uniform und Schaftstiefeln, die Tellermütze auf den Knien, vor dem rundlichen, rosigen und kleinen Landgerichtsdirektor Dr. Engelbert Arnold in dessen Arbeitszimmer im Justizpalast saß, besuchte anläßlich seiner Wiener Aufenthalte routinemäßig alle neuen, ihm noch unbekannten Richter. Das gehörte zu seinem Auftrag. Dieses Gespräch gehörte nicht zu seinem Auftrag. Was er sagte, stimmte auch nicht. In Berlin war die Tätigkeit des Landgerichtsdirektors Arnold noch keinem Menschen angenehm oder unangenehm aufgefallen. Klever belog den an einen menschlichen Pudding erinnernden Arnold auf Bitten seines Freundes Forster. Wohl war ihm nicht dabei. Aber natürlich werde ich Otto immer helfen, immer wieder, ich Rindvieh, dachte der Mann, der etwas mehr als ein Jahr später, nach dem mißglückten Attentat auf Hitler, in bestialischer Weise gehenkt werden sollte.
    Der Menschen-Pudding strahlte entzückt.
    »Man tut, was man kann, Herr Ministerialrat! Ich gebe mir alle Mühe, meinen großartigen Vorgänger zu ersetzen – leicht ist das nicht. Darum freut mich eine solche Mitteilung besonders!«
    »Was man an Ihnen am meisten schätzt, das ist Ihre absolute Integrität«, erklärte Klever. »In einem Rechtsstaat wie dem unseren muß jede Seite eines Falles beleuchtet und überprüft werden. Genauestens! Wir dürfen uns nicht nachsagen lassen, die deutsche Justiz handle leichtfertig oder liebedienerisch der Partei gegenüber. Das auf keinen Fall, Herr Arnold!«
    »Auf keinen Fall, gewiß. Meine Devise. Ich bin in der Partei, selbstverständlich. Ein getreuer Gefolgsmann des Führers. Gerade deshalb achte ich peinlichst auf Anstand und Sauberkeit in meinen Fällen – und wenn sie noch so dubios erscheinen: Kein Urteil, bevor wirklich auch dem
aller
Wahrscheinlichkeit nach Schuldigen die letzte Chance gegeben wurde, seine Unschuld zu beweisen.«
    »Bravo! Das ist der rechte Geist«, sagte Klever mit seinem starken preußischen Akzent, während er dachte: Du elendes, kleines Arschloch, du. »Wie ich höre, haben Sie auch mit Abstammungsprozessen zu tun …«
    »Jawohl, Herr Ministerialrat. Mit einigen. Sie erwähnen das, weil das ein besonders heikles Gebiet ist, nicht wahr?«
    Jetzt wären wir also glücklich gelandet, dachte Klever und sagte: »Besonders heikel, sehr richtig, mein Lieber. Ich komme im ganzen Reich herum …«
    »Gewiß!«
    »… und im ganzen Reich werden solche Prozesse geführt …«
    »Gewiß!«
    »… nicht in Massen, aber doch, aber doch! Sie können sich nicht vorstellen, mit welcher Leichtfertigkeit da manchmal vorgegangen wird. In bester Absicht natürlich! Die Richter vermuten, daß es sich um Schwindelprozesse handelt, in denen Mütter versuchen, ihre halbjüdischen Bälger zu Ariern zu machen. Aber das ist
nicht immer
der Fall! Durchaus nicht immer, wie wir feststellen konnten! Ein Freund – Reichssippenhauptmann – sagte mir, daß man hier besonders aufpassen und wirklich den
letzten Zweifel
beseitigen muß, ehe man ein Urteil fällt.« Ich habe keinen Freund im Reichssippenhauptamt, dachte Klever. Herrgott, Otto wird doch noch auf die Schnauze fallen mit diesen Geschichten. Zum Verzweifeln! Und er läßt nicht mit sich reden. »Denn es
kann
immer wirklich ein Arier sein, der da vor Ihnen steht, Parteigenosse Arnold! Es
kann
immer sein, daß die Mutter und die

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