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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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›Springfield‹. Die Kugel hatte Clairon in die rechte Schläfe getroffen, ehe er den Abzug seiner Waffe ganz durchdrücken konnte. Beim Austritt auf der linken Schläfenseite war sein halbes Gesicht weggerissen worden. Das Kaliber 7.62 richtet enorme Verheerungen an. Aus dem, was von Clairons linker Gesichtshälfte übriggeblieben war, schoß Blut in den Schnee, David Parker sah sich Clairon genau an. Er hatte schon sehr viele tote Männer in seinem Leben gesehen.
    Zufrieden stieg er von der Holzbrille des Klosetts herab, verbarg das Gewehr unter seinem Dufflecoat und verließ die Bedürfnisanstalt. Er ging schnell, während das Dröhnen der abfliegenden AIR - FRANCE -Maschine leiser und leiser wurde und die Krähen wieder zu schreien begannen, die Allee zwischen den Gruppen 55 und 56 ein Stück hinab zu dem großen Lincoln, der hier stand. Parker öffnete den Kofferraum und versteckte die ›Springfield‹ unter ein paar alten Lappen. Nachdem er den Kofferraum wieder versperrt hatte, setzte er sich hinter das Steuerrad, schaltete den Motor und einen eingebauten Sender ein, und während er zuerst ein Stück in Richtung Dr.-Karl-Lueger-Kirche fuhr, um dann nach rechts einzubiegen, nahm er ein Mikrophon zur Hand und sagte: »Calling Stardust … Calling Stardust … This is Charlie Baker, Charlie Baker, over.« Aus dem Lautsprecher des Senders erklang eine Männerstimme: »Okay, Charlie Baker, this is Stardust, I can hear you. Over.«
    Die Unterhaltung ging in englischer Sprache weiter.
    »Erledigt«, sagte David Parker. »Tot.«
    »Sicher?«
    »Todsicher! Direkt in die Schläfe.« Parker fuhr über immer neue Alleen vorsichtig quer durch den Friedhof zu einer diagonalen Chaussee, die ihn in die Nähe des kleineren Tores III bringen sollte. Tor II , das Hauptportal, wollte er lieber nicht mehr benützen.
    Parker sagte: »Ihr habt mich zu spät losgeschickt.« Er berichtete, was geschehen war, und schloß: »Ein Riesenmassel, was ich hatte! Als ich ankam, sah ich beim Eingang Manuel Aranda. Diese Waldegg war bei ihm. Weiß nicht wieso. Jedenfalls war die Frau diesem Clairon später dauernd im Weg, er konnte nicht auf Aranda schießen. Das habe ich sofort kapiert, als ich ihn endlich im Fernglas hatte. Junge, Junge, knapp ist das gegangen, kann ich nur sagen. Kaum war seine Birne schön in meinem Fadenkreuz, da muß die Frau sich gebückt haben oder sonst was, jedenfalls hatte Clairon plötzlich freie Sicht. Er wollte sich gerade an die Arbeit machen, als ich ihn erwischte. Zum Teufel, das nächste Mal schickt ihr mich aber früher los!«
    »Wir haben es erst so spät erfahren. Tut mir leid.«
    »Gehört alles zu des Tages Arbeit«, sagte David Parker. »Ich komme nicht mehr in die Stadt rein. Ich habe einen anderen Anzug und einen anderen Mantel …«

13
    »… und andere Schuhe und einen Koffer voll Wäsche im Wagen«, klang die Stimme aus dem Lautsprecher eines starken Senders, dessen graugestrichener Kasten auf einem langen Chromstahltisch ruhte. Dieser Sender war, wie der im Lincoln von David Parker, mit Zerhacker und Entzerrer ausgestattet.
    Der silberne Tisch stand in einem Raum, in dem sich neue Kotflügel, Autotürbleche, Scheinwerfer, Blinker, Rücklichter und Scheibenwischer befanden. Der Raum lag zu ebener Erde einer sehr langen und sehr hohen Halle. Wie in einer Miniatur-City sah es aus – große und kleinere Kisten türmten sich hier zu Gebäuden. Zwischen ihnen liefen schmale Straßen. Es war das Lagerhaus einer Firma, die sich AMERICAR nannte und Ersatzteile für fast alle amerikanischen Wagentypen liefern konnte. Zwischen den Kistenschluchten mühten sich Arbeiter mit Winden und Seilzügen. Elektrokarren fuhren hin und her.
    Das Lagerhaus stand auf jener Seite des Hietzinger Kais, der die Fortsetzung der Westautobahn-Einfahrt bildet, nahe der Stadtbahnstation Ober-Sankt-Veit. Die U-Bahn läuft da unter dem Straßenniveau, aber offen. Eine Mauer trennt ihre Gleise von dem Bett des Wien-Flusses.
    Der Geschäftsführer der AMERICAR hieß Gilbert Grant. Er war ein großer, schwerer und lebhafter Mann von zweiundfünfzig Jahren, mit roter Gesichtshaut und blauen Augen, die leicht tränten und von roten Äderchen durchzogen waren wie die eines Gewohnheitstrinkers.
    Der Raum, in dem sich der Sender befand, besaß eine elektrisch gesteuerte Stahltür und war schalldicht. Fenster gab es nicht. Ein Ventilator sorgte für Frischluft. Die Arbeiter des Lagerhauses waren davon überzeugt, daß in jenem Raum,

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