Und morgen bist Du tot
Mädchen schwiegen.
»Also, was wollt ihr? Soll ich Mr Bojin anrufen?«
Anca schüttelte den Kopf und wirkte plötzlich verängstigt. Nusha blickte mit aschfahlem Gesicht zu Boden.
»Okay.« Er holte sein Handy aus der Tasche und tippte die erste Taste an. »Gut, ich rufe die Polizei.«
»Nein!«, schrie Anca. »Keine Polizei!«
Er steckte das Handy wieder ein. »Zieht euch aus. Ich werde euch zeigen, wie man in diesem Land einem Mann Freude bereitet.«
Die beiden Mädchen schauten trostlos auf den schwarzen Teppich, schwarz wie die Leere ihres neuen Lebens, und begannen sich auszuziehen.
52
AUF DEM OBEN an der Wand angebrachten Flachbildschirm konnte Lynn in großen goldenen Buchstaben lesen: TOP TEN DER MITARBEITER-PRÄMIEN.
Darunter folgte eine Liste mit Namen. An der Spitze befand sich derzeit Andy O’Connor von den Silberhaien. Er hatte in dieser Woche die Gesamtsumme von 9987 Pfund in bar eingetrieben. Sollte er diese Position halten, beliefe sich seine Prämie auf 871 Pfund.
Mein Gott, wie gut könnte sie dieses Geld gebrauchen!
Neidisch betrachtete sie die neun Namen darunter. Auf dem zehnten Platz stand ihre Freundin und Teamkollegin Katie Beale mit 3337 Pfund.
Lynn hingegen war weit abgeschlagen. Allerdings hatte sich ein interessanter Klient soeben auf einen Ratenplan eingelassen. Er würde eine Pauschale von 500 Pfund anzahlen und danach fünfzig Pfund im Monat, um Kreditkartenschulden in Höhe von 4769 Pfund abzustottern. Trotzdem würden sie die 500 Pfund, sofern er sie bezahlte, in dieser Woche auf nur 1650 Pfund bringen. Wie sollte sie da noch auf die vorderen Plätze gelangen?
Vielleicht könnte sie abends länger bleiben und ihre Fehlstunden nacharbeiten. Luke wollte Caitlin besuchen, dann hätte ihre Tochter Gesellschaft. Andererseits wollte sie sie auch nicht zu lange allein lassen.
Dann ging eine E-Mail von ihrer Teammanagerin Liv Thomas ein, in der sie darum bat, einen weiteren Versuch bei einem der unbeliebtesten Klienten zu starten.
Lynn stöhnte innerlich. In der Firma galt die goldene Regel, nach der man die Klienten niemals persönlich traf oder ihnen etwas von sich selbst erzählte. Dennoch machte sie sich im Geiste immer ein Bild von der Person, mit der sie sprach, und das Bild, das sie sich von Reg Okuma machte, stellte eine Kreuzung aus Robert Mugabe und Hannibal Lecter dar.
Er hatte ein Darlehen über 37870 Pfund bei der Bradford Credit Bank laufen und war damit einer der bedeutendsten Schuldner in ihrer Klientenkartei. Den ersten Platz nahm ein säumiger Zahler mit unerreichten 48906 Pfund Miesen ein.
Vor einigen Wochen hatte sie die Hoffnung aufgegeben, jemals auch nur einen Penny aus Okuma herauszuholen, und seinen Fall der Rechtsabteilung übergeben. Andererseits, dachte sie, wäre es phantastisch, bei ihm doch noch etwas zu erreichen. Das würde sie unter die Prämiengewinner dieser Woche katapultieren.
Sie wählte seine Nummer.
Seine tiefe, sonore Stimme meldete sich nach dem ersten Klingeln.
»Mr Okuma?«
»Das klingt doch ganz nach meiner guten Freundin Lynn Beckett von Denarii.«
»Da haben Sie recht, Mr Okuma.«
»Und womit kann ich Ihnen an diesem schönen Tag behilflich sein?«
Für Sie mag er ja schön sein, aber für mich regnet es in Strömen, sowohl in meinem Inneren als auch draußen vor dem Fenster, dachte Lynn. Sie folgte ihrem altbewährten Drehbuch und sagte: »Ich glaube, es wäre eine gute Idee, einen neuen Ansatz bei der Frage Ihrer Schulden zu besprechen, damit wir diese unerfreulichen juristischen Angelegenheiten vermeiden können.«
Seine Stimme verströmte Selbstvertrauen und öligen Charme. »Mein Wohl liegt Ihnen wirklich am Herzen, Lynn, sehe ich das richtig?«
»Ich denke an Ihre Zukunft«, sagte sie.
»Ich denke an Ihren nackten Körper«, erwiderte er.
»An den würde ich nicht zu lange denken, wenn ich Sie wäre.«
»Ich werde steif, wenn ich nur an Sie denke.«
Lynn schwieg einen Moment und verfluchte sich, dass sie es dazu hatte kommen lassen. »Ich möchte Ihnen einen Rückzahlungsplan vorschlagen. Welche Summe könnten Sie sich wöchentlich oder monatlich leisten?«
»Warum treffen wir uns nicht mal zu einem kleinen Tête-à-tête?«
»Wenn Sie jemanden aus der Firma treffen möchten, kann ich das gerne arrangieren.«
»Wussten Sie eigentlich, dass ich einen großen Schwanz habe? Den würde ich Ihnen gern mal zeigen.«
»Ich werde meinen Kolleginnen davon berichten.«
»Sind die auch so hübsch wie Sie?«
Bei
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