Und morgen bist Du tot
angeschlossen, die aus den Geräten neben den Betten wuchsen.
Drei Krankenschwestern, die wie Draguta gekleidet waren, schauten sie misstrauisch an.
»Ich suche meine Tochter Caitlin. Haben Sie sie gesehen?«
»Sie bitte gehen. Kein Zutritt.«
Sie schaute sich nach weiteren Türen um, entdeckte eine und riss sie auf. Es war ein kleiner Aufenthaltsraum. Die nächste Tür führte nur in ein leeres Badezimmer. Sie schaute auf die Uhr.
Keine fünf Minuten mehr.
Sie würden ihr sicher noch ein bisschen Zeit einräumen. Caitlin musste ganz in der Nähe sein.
Sie wählte Caitlins Handynummer, doch es meldete sich sofort die Mailbox. Dann stolperte sie wieder die Treppe hinunter, durch die Büroräume und eine andere Tür. Schließlich landete sie in der riesigen, mit Marmor ausgekleideten Eingangshalle der Schönheitsklinik.
Überall waren Leute. Drei Frauen in weißen Bademänteln und Einwegpantoffeln betrachteten Schmuck in einer Vitrine. Ein ähnlich gekleideter Mann unterzeichnete gerade ein Formular an der Rezeption. Neben ihm wartete eine Frau in elegantem Mantel und seidenem Kopftuch, neben sich einen Rollkoffer.
Binnen Sekunden hatte sie den ganzen Raum registriert.
Keine Spur von Caitlin.
Dann öffnete sich die Automatiktür mit einem scharfen Zischen. Sechs entschlossen dreinblickende Polizisten in Schutzwesten marschierten herein. Lynn drehte sich um und rannte davon.
119
»GANZ AM ENDE! Fahr über den Golfplatz, beim achten Tee gibt es noch einen weiteren Ausgang«, sagte Marlene Hartmann zu Grigore. »Die Polizei wird ihn nicht kennen. Von dort aus gelangen wir auf eine kleine Straße. Wir können mehrere Kilometer weit die Hauptstraßen meiden. Ich weiß, dass es funktioniert. Ich lotse dich.«
Sie saß im Fond des braunen Mercedes und umklammerte die Rücklehne des Beifahrersitzes. Sie schaute sich besorgt um. Ihr Atem ging schwer, und sie verfluchte im Geiste diese verdammte Beckett und die Schlampe von Tochter. Sie verfluchte die Polizei. Und auch Sirius, der völlig hysterisch geworden war.
Vor allem aber verfluchte sie sich selbst. Wie hatte sie nur so dumm sein können und annehmen, sie würde damit durchkommen? Pure Gier. Es war wie bei der Spielsucht. Man wusste nicht, wann man aufhören musste.
Vlad Cosmescu saß schweigend vor ihr. Ihm gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Am Roulettetisch wusste er fast immer, wann Schluss war.
Er hätte schon gestern Abend Schluss machen sollen. Dann wäre alles prima gelaufen, und er wäre längst zu Hause in Rumänien. Er schuldete dieser Frau nichts. Sie hatte ihn nur benutzt, genau wie alle anderen. So wie auch er sie benutzte. So funktionierte die Welt. Es ging nicht um Loyalität, sondern ums Überleben.
Warum also war er noch hier?
Er kannte die Antwort. Weil ihn diese Frau in ihren Bann geschlagen hatte. Er wollte sie erobern, mit ihr schlafen. Er dachte, seine Tapferkeit würde sie beeindrucken.
Er fluchte innerlich. Zehn Jahre lang hatte er viel Geld verdient und war der Polizei erfolgreich aus dem Weg gegangen.
Ich bin so blöd, dachte er. Zu blöd.
Der Wagen holperte über eine Bodenwelle und fuhr zum großen Ärger zweier Golfspieler mitten über das Green, genau zwischen den Bällen hindurch, die sie gerade spielen wollten. Marlene klammerte sich fest und schlug mit dem Kopf gegen die Decke, als der Wagen einen Sprung machte.
»Scheiße!«
Das zielte nicht auf den Schmerz, sondern den weißen Mannschaftswagen der Polizei, der quer vor dem Hintereingang von Wiston Grange parkte.
»Dreh um!«, befahl sie. »Wir versuchen es vorn.«
»Oder besser zu Fuß?«, fragte Cosmescu, als Grigore scharf auf dem Gras bremste.
»Natürlich, mit dem Hubschrauber über uns! Vergiss es!« Sie reckte den Hals, als sie aus dem Seitenfenster schaute.
Dann stieß Grigore einen Schrei aus und zeigte nach hinten. Marlene drehte sich um und entdeckte entsetzt einen Geländewagen der Polizei, der rasch näher kam.
»Soll ich versuchen abzuhängen?«
»Nein, du machst gar nichts. Und sagst auch nichts. Ich rede. Ich versuche es mit einem Trick. Halt an!«
Grigore gehorchte. Die drei saßen schweigend da, während Marlene Hartmann fieberhaft überlegte.
Ein zweites Polizeiauto kam auf sie zu. Es parkte unmittelbar vor dem Mercedes, und die Sirene verstummte. Als sie sah, wer vorne saß, wuchs ihr Entsetzen.
Der Fahrer war ein ihr unbekannter Schwarzer, doch der Mann auf dem Beifahrersitz war zweifellos der Mann, der in München bei ihr im
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