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Und Nachts die Angst

Und Nachts die Angst

Titel: Und Nachts die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Norton
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braucht Stoff. Weil der Tag sich dem Ende zuneigt und der Redaktionsschluss droht. Weil jede mit diesem Fall beschäftigte Behörde sie ohne Kommentar hat abblitzen lassen. Und weil der Geruch des Blutes in der Luft sie anstachelt.
    »Es sind noch immer ziemlich viele hier«, bemerkt Hudson, während er die rufenden Reporter passiert und auf die Straße einbiegt. »Vermutlich ist nur eine Sache sensationeller als der Prozess gegen einen Kinderschänder, und das ist die Erschießung des Kinderschänders.«
    Dr. Lerner konzentriert sich auf die Nachrichten auf seinem Handy. »The show must go on«, murmelt er.
    Sie alle sind müde. Hudsons gewöhnlich so aufrechte Gestalt ist in sich zusammengefallen. Reeve hat sich wie üblich auf der Rückbank ausgestreckt, macht aber keine Anstalten, sich wieder aufzusetzen, nachdem das Fahrzeug um die Ecke gebogen ist. Und Dr. Lerners Gesicht ist von Sorge gefurcht.
    Er schickt Kurznachrichten an seine Frau, an seine Sekretärin, seinen Assistenten an der Universität und an den Dekan, dann steckt er das Handy in die Tasche. Er legt den Kopf zurück, schließt die Augen und lässt die Ereignisse des Tages Revue passieren, um herauszufinden, was an ihm nagt. Gedanken strömen vorbei. Wie ein Goldwäscher am Bach taucht er die Pfanne ein, siebt und sucht.
    Er hat bereits in einem Dutzend Länder auf drei Kontinenten Entführungsopfer behandelt, aber so etwas ist ihm noch nicht begegnet. Die gesamte Familie befindet sich in einem Zustand, der über den zu erwartenden Schock, über die emotionale Überlastung hinausgeht. Und obwohl er den ganzen Tag mit den Cavanaughs verbracht, mit jedem einzeln und mit allen zusammen gesprochen hat, kommt es ihm vor, als sei ihm etwas Wesentliches entgangen.
    Er ruft sich in Erinnerung, wie Gordon und Shirley Cavanaugh in der Aufregung nach der Erschießung Vanderholts in Deckung gegangen sind. Schockiert von der Tat und wie vom Donner gerührt über die Verdächtigungen, die plötzlich über sie hereinbrachen. Gekränkt natürlich. Wütend und in angstvoller Erwartung, dass sich aufklären würde, wo ihr Sohn zur Tatzeit war.
    Als Matt endlich nach Hause kam, war er genauso zornig und trotzig wie jeder andere Halbwüchsige, den man beim Schuleschwänzen erwischt hatte.
    Für die Behörden war es ein Drahtseilakt. Einerseits froh, den Verdächtigen los zu sein, mussten sie sich andererseits eingestehen, dass sie versagt hatten: Weder hatten sie Vanderholt schützen noch ihn seiner gerechten Strafe zuführen können. Und ganz nebenbei hatten sie es nun auch noch mit einem Mörder zu tun.
    Nur schrittweise war die Anspannung einem finsteren, angestrengten Humor gewichen. Gordon Cavanaugh hatte eine Whiskyflasche hervorgeholt und großzügig dosierte Irish Coffees zubereitet, während seine Frau frisch gebackene Kekse servierte.
    Hatte Tilly eigentlich etwas gegessen?
    Nein. Sie hatte Kekse und Milch abgelehnt. Tatsächlich hatte sie kaum ihr Zimmer verlassen. Auf die Nachricht von Vanderholts Tod hatte sie mit einer erschütterten Miene reagiert, die sich bald zu etwas anderem verhärtet hatte.
    Aber zu was?
    Shirley Cavanaugh hatte »den Mädels« eine Schüssel Popcorn gemacht.
    Das Popcorn war unberührt zurückgekommen.
    Später war Reeve herausgekommen, mit unglücklicher, ratloser Miene.
    Derweil hatte Dr. Lerner am Küchentisch gesessen, schwarzen Kaffee getrunken und versucht, Gordon und Shirley Cavanaugh dabei zu helfen, einen langen Tag voller extremer und widersprüchlicher Gefühle zu verarbeiten.
    »Ich versteh nicht, warum Tilly so entsetzt auf den Tod dieses Ungeheuers reagiert«, hatte Mrs. Cavanaugh gesagt. »Das kann doch nur dieses Stockholm-Syndrom sein, oder? Ist es das, Doktor?«
    Genau das ist es, was ihm Sorgen bereitet.

31. Kapitel
    D ukes Haus dient seinen Zwecken voll und ganz. Kurz nachdem seine Eltern gestorben waren, baute er es um, riss ganze Wände heraus, legte neue Leitungen, passte Türen und Fenster ein. Er erledigte alle Arbeiten allein – wozu neugierige Handwerker ins Haus holen? – und ist besonders stolz darauf, aus der nutzlosen verglasten Veranda an der Südseite des Hauses einen Mehrzweckraum gemacht zu haben. Nun besitzt er neben dem Hauswirtschaftsraum jede Menge zusätzlicher Lager- und Staufläche sowie einen Arbeitsplatz, der für seine nichtfleischlichen, nichtelektronischen Interessen reserviert ist.
    Feuerwaffen sind sein besonderes Hobby.
    Er summt vor sich hin, während er Vorbereitungen trifft,

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