Und Nachts die Angst
Niemand scherzt. Es sind finstere Burschen. Vier davon Väter.
Als das Grüppchen aus dem Gebäude tritt, dringt der kalte Wind, der über das nackte Land fegt, durch Vanderholts dünnen orangefarbenen Overall. Er beschwert sich bei den Wachen, die ihn fest an beiden Armen halten.
Kaum hört man seine Stimme. Das Diesel-Grollen des Bulldozers übertönt alles.
Die Wachen verkürzen ihre Schritte, damit der schlurfende Vanderholt mithalten kann. Sie setzen den Weg auf dem neu asphaltierten Gehweg fort und steuern auf den Transporter zu, auf dessen Türen stolz das Emblem des Sheriff’s Departments von Jefferson County prangt.
Der Bulldozer schwingt in ihre Richtung herum, lässt seine Schaufel fallen und beißt ein großes Stück aus der Erde. Die Männer wenden die Köpfe und sehen ehrfurchtsvoll staunend wie kleine Jungen zu. Die Luft ist erfüllt vom Brüllen des Motors und dem Geruch frisch aufgeworfener Erde.
Niemand achtet auf den Gefangenen, als ihm die Kugel einen nassen Klumpen über dem rechten Ohr wegreißt.
Vanderholt sackt zusammen und fällt schwer in den Griff der beiden verdutzten Wachen, die zu taumeln beginnen und instinktiv versuchen, seinen Körper aufrechtzuhalten. Blut ergießt sich sprudelnd auf den Boden. Einen Moment lang glotzen alle entsetzt auf das Geschehen, dann geraten die Männer in Bewegung. Die Wachleute überantworten Vanderholts Körper der Schwerkraft, ziehen die Waffen, wirbeln herum und versuchen auszumachen, aus welcher Richtung der Schuss gekommen ist. Wo kann der Heckenschütze sein? In einem Gebüsch, im Schatten einer Mauer, auf einem Dach gegenüber?
Und während sie sich drehen und wenden und die Gegend absuchen, müssen sie erkennen, dass die Versteckmöglichkeiten zahllos sind und sie auf dieser Fläche, die einst ein grünes Baseballfeld gewesen ist, wie auf dem Präsentierteller stehen.
27. Kapitel
I m Nachhinein würden sich CNN, FOX, MSNBC und alle wichtigen Sender in den Hintern beißen, kein Filmmaterial von Randy Vanderholts Erschießung zu besitzen, denn während der Gefangene aus dem Gefängnis und in den Tod schlurft, ist das gesamte Medieninteresse in der Stadt auf seinen Anwalt fokussiert.
Clyde Pierson hat gerade auf der Treppe zum Gericht innegehalten, um den versammelten Reportern ein paar Worte zu sagen. Die Fernsehkameras zoomen heran. Und während nur ein paar Meilen entfernt Vanderholts Blut in die frisch aufgeworfene Erde sickert, sagt sein Anwalt: »Sie alle haben voreilige Schlüsse gezogen. Ich verstehe ja, dass Sie deftige Schlagzeilen brauchen, aber nun sollten Sie der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen.«
»Können Sie uns etwas über neue Beweise sagen, die dieses Wochenende entdeckt wurden?«
»Was hat der Einsatz der Leichensuchhunde ergeben?«
Jedermann hofft auf eine Bestätigung der Schuld oder Neuigkeiten über die anderen vermissten Mädchen. Doch Pierson lächelt nur und betont noch einmal, es gebe absolut keinen Hinweis darauf, dass sein Mandant mit einem der anderen Fälle zu tun hat.
»Warum hat Vanderholt sich umzubringen versucht?«
»Stimmt es, dass er gestanden hat?«
»Die Ermittlungen haben gerade erst begonnen«, sagt Pierson gelassen. »Ich garantiere Ihnen, dass sich dieser Fall als sehr viel komplexer erweisen wird, als er momentan vielleicht aussieht.«
Selbst die Nachrichtenteams, die nicht von hier sind, spüren, dass sich hier etwas Entscheidendes tut.
Mit dem provokativen Kommentar, man müsse »eine ganze Reihe von mildernden Umständen in Betracht ziehen«, eilt Pierson die Treppe hinauf, ohne auf die Sirenen der Krankenwagen zu achten, die in der Ferne zu heulen beginnen.
Ein paar Minuten später geht Pierson an sein klingelndes Telefon. Er erbleicht, stellt vier knappe Fragen und schluckt schwer.
28. Kapitel
D ukes noch nicht erkaltetes Gewehr liegt verdeckt hinten in seinem Chevy Tahoe, als er mit der Plastiktüte von Radio Shack und einem halbleeren Kaffeebecher sein Büro betritt.
Officer Tomas Montoya schaut kurz darauf zu ihm herein. »Hey, schon das Neueste gehört?«
Duke sieht ihn finster an und deutet auf seine Hemdbrust, auf der ein nasser, dunkler Fleck prangt. »Hab mich verbrüht«, sagt er und wirft den Starbucksbecher in den Müll. »Keine Lust auf Spielchen.«
»Komm, das hier wird dich aufmuntern. Vanderholt ist tot.«
Duke zieht die Brauen hoch. »Is’ nicht wahr.«
»Heute früh direkt hinterm Gefängnis erschossen«, frohlockt Montoya. »Hab’s über Funk gehört, als
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