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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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werden.“
    Luise Kampmann zuckte zusammen. „Ich will doch nur helfen“, flüsterte sie, während sie das Glas nahm und eingeschüchtert daran nippte.
    â€žWir, also mein Mann Herbert und ich, machen hier schon seit über 20 Jahren Urlaub. Und immer bei den Villingers, nicht wahr?“ Luise Kampmann blickte zu ihrer Vermieterin, die mit einem angedeuteten Kopfnicken diese Aussage bestätigte.
    â€žAuf jeden Fall gehe ich jeden Morgen ins Lädele und kaufe dort ein. Mal Brötchen, Butter, Wurst und Käse. Mal die Zeitung, Obst, Gemüse oder auch Milch. So bin ich also auch am Samstagmorgen zum Lädele gegangen. Ich gehe immer den Weg am Kindergarten und dem kleinen Friedhof entlang. Da kommt man am Rathausplatz dann raus und ist schon gleich da.“
    Sie trank einen großen Schluck, während Bannholzer ungeduldig mit den Fingerspitzen auf dem Tisch trommelte. Roswitha und Georg Villinger zeigten keine Regung. So suchte Luise Kampmann den Blick von Stefan Alt. Als er ihr aufmunternd zulächelte, fuhr sie fort: „Ich bin gerade um die Ecke gebogen, da hat mich ein Mann angesprochen. Ich habe mich fürchterlich erschreckt, da ich ihn zuerst nicht gesehen, sondern eben nur gehört habe. Ich dachte, er würde mit mir sprechen, aber als ich genauer hinhörte, da hat er irgendetwas vor sich hingebrummelt, was sich nach einem Kinderlied angehört hat.“
    â€žUnd was war das für ein Kinderlied?“ Strittmatter kam Bannholzer mit seiner Frage zuvor, der ebenfalls endlich die Pointe der Geschichte hören wollte.
    â€žEr sang: ‚Sah ich einst ein Röslein stehn, war so jung und war so schön. Die Haare schwarz, die Lippen rot, nun ist sie wie Schneewittchen tot.’ Und ich bin mir sicher, dass er nicht mich damit gemeint hat.“ Luise Kampmann lächelte verkrampft.
    â€žUnd warum erzählen Sie uns das dann?“, fragte nun Bannholzer, der seinen Unmut nicht mehr länger zurückhalten konnte.
    â€žWeil der Mann keine drei Stunden später tot war.“

sechsundsechzig
    Die hohe Luftfeuchtigkeit war fast unerträglich. Emma atmete schwer, als sie endlich im Gewächshaus stand. Nachdem sie sich an die stickige Luft so langsam etwas gewöhnt hatte, schaute sie sich interessiert um. Doch anstatt auf Nutzpflanzen wie Tomaten, Bohnen, Salat oder Erdbeeren zu stoßen, zierte die gesamte Fläche der Kopfseite des Gewächshauses nur eine einzige Rosenstaude, deren einzige Blüte, wie Emma schon vor Tagen durch ein Fenster erspähen konnte, gerade ihre schönste Pracht entfaltete. Vor der Rosenstaude stand das kleine Windlicht, hinter dessen mosaikartig angelegten Glasstücken ein kleines Licht leuchtete.
    Das ist sie also, die winterblühende Rose mit diesem so passenden Namen ‚Remember me’, dachte Emma und trat vorsichtig näher an die Staude heran. Links und rechts vom Eingang waren zwei Tische aufgestellt, die jemand zu Vitrinen umgebaut hatte und die über und über mit Rosenblüten geschmückt waren. Dazwischen standen Bilderrahmen, die nur ein Motiv zeigten.
    Emma musste schlucken. Ihr wurde übel und schwindelig zugleich, als sie Charlotte in all den Facetten ihres Lebens sah. Fast hätte sie den silberfarbenen Bilderrahmen mit einem Foto, auf dem Charlotte ausgelassen lachte, umgestoßen, als sie nach diesem griff. Noch gerade so konnte sie den möglichen Dominoeffekt vermeiden und versuchte, in der stickigen Luft des Treibhauses ruhig zu atmen.
    Sie kämpfte mit ihrer Wahrnehmung. Waren es etwa die Migränetabletten, die sie nicht vertrug? Oder war es das aufkommende Hungergefühl, das ihre Sinne trübte? Nein, es schien immer noch der Albtraum von vergangener Nacht zu sein. Aber wo war dann der Radiowecker, der gleich mit lauter Popmusik losdudeln und sie endlich aus diesem schrecklichen Traum ins wahre Leben zurückholen würde?
    Doch alles Hoffen half nichts. Sie war in keinem bösen Traum gefangen. Es war die harte Realität, die sie von den Bildern und Fotos anschrie: Charlotte. Überall Charlotte. Und sie war jetzt Teil dieses Personenkultes, stand sie doch inmitten einer dekorierten heiligen Stätte. Einem Tempel der Anbetung.
    Einem Grab für eine Königin, die darauf wartet, endlich wachgeküsst zu werden.
    Warum musste sie ausgerechnet jetzt an den Satz von Silvia Trötschler vom gestrigen Abend denken? Wartete Charlotte wirklich auf

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