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Und nie sollst du vergessen sein

Und nie sollst du vergessen sein

Titel: Und nie sollst du vergessen sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Boehm
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Höhe besonders lang und äußerst heftig ausfallen konnte.
    Als Emma gegen 7.30 Uhr den Witznauweg in Richtung Friedhof hochlief, hatte sich der Himmel über dem Hügel Richtung Berau bereits wieder in ein dunkles Grau verfärbt. Schwer hing die Wolkendecke, bei der man weder Anfang noch Ende erkennen konnte, an der Bergkette des Klettgaus fest. Monströs, mächtig und bedrohlich zugleich, schoss es Emma in den Kopf, und ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
    Nachdem sie die Kirche St. Stephan hinter sich gelassen hatte, überquerte sie den Rathausplatz. Nur ein Auto stand vor dem Lädele, ansonsten war um diese Uhrzeit – und nachdem die Schulkinder mit dem Bus abgeholt worden waren – nicht viel los. Das Postfahrzeug, das gegen 11 Uhr kommen würde, und die ersten Schulbusse gegen 12.30 Uhr würden die einzigen Höhepunkte an einem sonst verträumten Mittag werden.
    Emma ging den gleichen Weg entlang, den sie am Dienstag schon einmal gelaufen war. Auch heute begrüßten sie die verblühten Trauerweiden am Eingang des Friedhofs, als sie den Kiesweg betrat. Verwaist lag der Gottesacker vor ihr. Einige Krähen zogen über sie hinweg und ließen sich auf dem Kirchendach nieder, wo sie in ein wildes Gekrächze einstimmten. Nahezu alle Grablichter brannten, als Emma durch die Reihen ging. Schon von Weitem versuchte sie, das Loch, durch das sie vor zwei Tagen geschlüpft war, ausfindig zu machen. Doch die Rhododendronbüsche bauten sich dicht und undurchlässig vor ihr auf und gaben nichts von dem preis, was sie hinter ihrem blickdichten Schutz verbargen. Um wenigstens etwas sehen zu können, ging sie auf die Knie und lugte angestrengt durch die Sträucher hindurch.
    Nur zaghaft konnte sie das zarte Licht erkennen. Sie schaute sich noch einmal nach allen Seiten um. Aber es war wirklich keine Menschenseele zu dieser frühen Uhrzeit auf dem Friedhof zu sehen, und so krabbelte sie auf allen Vieren die grüne Wand entlang, bis sie das Loch endlich gefunden hatte.
    Vorsichtig, jede Bewegung abwägend, und doch bestimmt und mit dem einen Ziel vor Augen kroch sie durch das kleine Loch. Nachdem sie sich auch noch durch die Hecke des sowohl an den Friedhof als auch an das angrenzende Grundstück gekämpft hatte, war sie endlich angekommen. Nach ein paar Schritten konnte sie schemenhaft bereits die ersten Umrisse des Gewächshauses sehen.
    Das Licht flackerte fröhlich vor sich hin. Wie bereits vor Tagen war auch jetzt die Tür des Gewächshauses mit dem großen Vorhängeschloss verriegelt. Auch wenn sie so langsam eine Vermutung hatte, warum jemand alles dafür getan hatte, dass man nicht einfach so das Gewächshaus betreten konnte, so wunderte sie sich dann doch, warum gleich neben dem Rosenpavillon eine Kuhle ausgehoben war.
    Ob ein zweites …? Egal, dachte sie. Gedanken darüber kann ich mir auch noch später machen. Viel wichtiger ist doch jetzt, wo ich auf die Schnelle einen Dietrich herbekomme, sinnierte sie. Sie ärgerte sich, in all der Aufregung nicht schon vorab im Vorratszimmer ihrer Vermieter nach entsprechendem Werkzeug Ausschau gehalten zu haben. Aber vielleicht werde ich ja im Schuppen fündig, dachte sie, als sie nur wenige Meter vom Glaspavillon entfernt ein Gartenhäuschen versteckt unter einer Tanne stehen sah.
    Die Tür des Schuppens war im Gegensatz zum Gewächshaus nicht verschlossen, als Emma vorsichtig ins Halbdunkle trat. Modriger, fauler Geruch schlug ihr entgegen. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, von der sich die Gegenstände nur schemenhaft abzeichneten.
    Hier muss aber jemand viel Zeit haben, sinnierte Emma, als sie sich umschaute. Gartengeräte an der Wand, Sprühflaschen, Keramikdosen und Glaskaraffen verschiedensten Inhalts auf dem Tisch, Übertopfe, Blumenkästen und Pflanzenschalen im Regal – alles war nach Größen geordnet, sorgfältig aufgereiht und penibel korrekt sortiert.
    So fand Emma schnell, was sie suchte. Der Werkzeugkasten stand auf einem Regal gleich neben der Harkenleiste, in denen Gartenhelfer wie ein Kultivator, eine Unkrauthacke, ein Rasenlüfter, ein Rechen, ein Besen und ein Spaten aufgereiht waren.
    Auch der Werkzeugkasten war ein Paradebeispiel für Übersichtlichkeit und einen peniblen Ordnungssinn. Ob Feilen, Zangen oder Sägen – jedes Utensil war an seinem vorgesehenen Platz, ohne nur einen

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