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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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verlangen?»
    «Mein Bild?»
    «Eine Aktstudie», sagte der Junge. «Gar keine schlechte Idee.»
    «Keine Aktstudie», rief Josie.
    «Es ist eine phantastische Idee», wiederholte Drioli.
    «Eine völlig verrückte Idee», erklärte Josie.
    «Auf jeden Fall ist es eine Idee», meinte der Junge. «Es ist eine Idee, die gefeiert werden muss.»
    Sie leerten eine weitere Flasche. Dann sagte der Junge: «Es hat keinen Zweck, weil ich mit dem Apparat bestimmt nicht zurechtkomme. Aber ich werde dir ein Bild auf den Rücken malen. Das kannst du so lange behalten, bis du es beim Baden abwäschst. Wenn du nie mehr badest, behältst du es, solange du lebst.»
    «Nein», sagte Drioli.
    «Doch. Und wenn du dich eines Tages entschließt, in die Badewanne zu steigen, werde ich wissen, dass du mein Bild nicht mehr magst. Auf diese Weise kann ich herausfinden, wie groß deine Bewunderung für meine Kunst ist.»
    «Um Himmels willen», wehrte Josie ab. «Seine Bewunderung für deine Kunst ist so groß, dass er sich nie mehr waschen wird. Mach lieber die Tätowierung. Aber keinen Akt.»
    «Dann eben nur den Kopf», sagte Drioli.
    «Ich kann doch nicht tätowieren.»
    «Es ist wirklich ganz einfach. Ich bringe es dir im Handumdrehen bei. Du wirst sehen. Ich gehe jetzt und hole mein Werkzeug. Die Nadeln und die Tuschen. Ich habe Tuschen in allen Farben – in Farben, die noch viel schöner als deine sind   …»
    «Es ist unmöglich.»
    «Ich habe eine Menge Tuschen. Habe ich nicht eine Menge Tuschen in allen Farben, Josie?»
    «Ja.»
    «Du wirst sehen», wiederholte Drioli. «Ich gehe jetzt und hole sie.» Er stand auf und verließ mit unsicherem, aber entschlossenem Schritt das Zimmer.
    Eine halbe Stunde später kam er zurück. «Ich habe alles mitgebracht», rief er und schwenkte einen braunen Koffer. «Hier ist alles drin, was man zum Tätowieren braucht.»
    Er stellte den Koffer auf den Tisch, öffnete ihn und nahm die elektrischen Nadeln und die Fläschchen mit farbiger Tusche heraus. Nachdem er eine Nadel in den Tätowierapparat gesteckt hatte, ergriff er ihn und drückte auf einen Schalter. Ein leises Summen ertönte, und die Nadel, die etwa einen halben Zentimeter vorstand, sprang schnell auf und ab. Drioli zog sich die Jacke aus und streifte den linken Hemdsärmel hoch. «Nun pass auf. Ich zeige dir, wie einfach es ist. Hier, ich zeichne mir ein Muster auf den Arm.»
    Sein Unterarm war bereits mit blauen Musterungen bedeckt, aber er fand eine Stelle, die noch frei war.
    «Zuerst suche ich mir die Tusche aus – in diesem Fall werde ich Blau nehmen – und tauche die Nadelspitze in die Tusche   … so   … Ich halte die Nadel senkrecht und lasse sie leicht über die Haut gleiten   … siehst du   … Durch den elektrischen Antrieb springt die Nadel auf und ab. Sie punktiert die Haut, die Tusche dringt ein, und das ist alles. Na, ist das nicht ein Kinderspiel? Schau her, jetzt zeichne ich einen Windhund   …»
    Das Interesse des Jungen erwachte. «Komm, lass mich mal probieren – auf deinem Arm.»
    Mit der summenden Nadel zog er blaue Linien über Driolis Arm. «Es ist wirklich einfach», murmelte er. «Als ob man eine Federzeichnung macht. Ganz genauso, es geht nur etwas langsamer.»
    «Na bitte, ich hab’s ja gesagt. Bist du fertig? Wollen wir anfangen?»
    «Ja.»
    «Das Modell!», rief Drioli. «Los, los, Josie!» In einem Taumel der Begeisterung torkelte er durch den Raum, eifrig wie ein Kind, das ein aufregendes Spiel vorbereitet. «Wo willst du sie haben? Wo soll sie stehen?»
    «Dort drüben vor der Kommode. Mit offenem Haar. Ich werde sie malen, wie sie ihr Haar bürstet.»
    «Großartig. Du bist ein Genie.»
    Widerwillig erhob sich die junge Frau und stellte sich vor die Kommode. Ihr Glas nahm sie mit.
    Drioli zog sein Hemd und die Hose aus. Nur noch mit Unterhose, Socken und Schuhen bekleidet, stand er leicht schwankend da. Sein magerer Oberkörper war fest, weißhäutig, fast unbehaart. «So», sagte er, «jetzt bin ich die Leinwand. Wo willst du deine Leinwand haben?»
    «Auf der Staffelei, wie immer.»
    «Sei nicht albern. Die Leinwand bin doch ich.»
    «Dann geh auf die Staffelei, denn da gehörst du hin.»
    «Wie kann ich das?»
    «Bist du die Leinwand, Ja oder nein?»
    «Natürlich bin ich die Leinwand. Ich fühle mich schon ganz wie eine Leinwand.»
    «Dann geh auf die Staffelei. Das kann doch nicht so schwierig sein.»
    «Wirklich, es ist unmöglich.»
    «Na gut, setz dich auf den Stuhl. Setz dich

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