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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zurückkam, strahlte er über die ganze enorme Fläche seines feisten Gesichts.
    »Sehr schön. Fricke und Hoff fahren über Frankfurt nach Fulda, wo sie voraussichtlich in vier Stunden eintreffen werden. Ich auch. Herr Großvater, es war mir ein Vergnügen. Hier ist der Zettel. Schicken Sie ihn bitte an Anwalt Korff.«
    Er nannte die Adresse und setzte hinzu: »Wenn Sie ihn erst heute nachmittag in den nächsten Dorfbriefkasten werfen, kommt er erst übermorgen an, das gibt mir noch einen weiteren Tag. – Und halten Sie diesen Vogel fest. Ich will ihn nicht dabeihaben.«

8. Kapitel
    Am frühen Nachmittag musterte Matzbach die Gesichter der Passagiere, die in Fulda den Bahnsteig verließen. Ihm erschienen alle gleich häßlich, vor allem Hoff, der mit allen Anzeichen des Beleidigtseins näher kam.
    »Altes Ekel«, sagte er, als er Matzbach erreichte, »da geht er.« Er deutete mit dem Kopf diskret in eine ungenaue Richtung.
    Matzbach sah mindestens zehn Leute. »Wer?«
    »Seine hurtige Exzellenz, der Herr Ministerialrat Lorenz Fricke.« Hoff wies nun offen auf den Rücken eines älteren Herren, der sich anschickte, das Bahnhofsgebäude zu verlassen. Matzbach sah nur einen grauen Haarkranz unter einem lächerlichen Hut sowie die hintere Hälfte eines abgetragenen grauen Anzugs, einen Rucksack und dicke Wanderschuhe.
    »Was macht der in Fulda, mit einem Rucksack?«
    Hoff seufzte und blickte Matzbach anklagend an. »Zuerst schickst du mich auf Nachforschungen aus, dann läßt du mich wochenlang Zug fahren, obwohl ich doch Züge hasse wie die Beulenpest, und schließlich sagst du nicht ›Danke, teurer Freund, für heftigen Einsatz‹, auch nicht ›Armes hungriges Kerlchen, soll ich dich zu einem kleinen Bankett einladen‹, nein, du fragst einfach, was wer wo wie will. Ekelhaft.«
    Baltasar ergriff Henry am Arm und zog ihn zum Ausgang. Fricke stand unschlüssig da und blickte in den Himmel, dann auf seine Armbanduhr. Er hatte ein verwaschenes Gesicht, an dem nur eine Knollennase bemerkenswert war. Matzbach und Hoff blieben im Ausgang stehen, wo sie halb hinter einem Wandvorsprung warteten. Schließlich schüttelte Fricke den Kopf und ging zum Taxistand. Er verhandelte mit dem Fahrer des ersten Wagens, dann warf er seinen Rucksack auf den Rücksitz und stieg vorne ein.
    »Merde alors«
, sagte Baltasar fröhlich, »nun müssen wir ihm folgen. Ich hätte dich sonst zu einem opulenten Menü an der Pommesbude da drüben eingeladen.«
    Hoff fluchte durch die Zähne, zündete sich eine – nicht selbstgedrehte – Zigarette an und folgte Matzbach, der eiligen Schrittes zu seinem Wagen ging.
    »Merk dir die Nummer«, knurrte Baltasar. Das Taxi fuhr an, noch ehe sie seinen Wagen erreicht hatten. Zum Glück war die nächste Ampel rot.
    Mit einigem Abstand folgten sie dem Taxi. Hoff rauchte mit Genuß.
    »Die ganze Strecke von Frankfurt bis hierher habe ich in einem Nichtraucherabteil sitzen müssen«, beklagte er sich, »sonst hätte ich ihn nicht im Augenwinkel behalten können.«
    Matzbach verzog das Gesicht. »Ein guter Agent wird nie aus dir. Gute Agenten quengeln anders. Wie oft hast du ihm gesagt, daß du ihn beschattest?«
    Hoff drückte die Zigarette an der Fensterscheibe aus und warf die Kippe auf den Boden, während er mit der anderen Hand den Aschenbecher demonstrativ zuschob. »Er hat mich nicht gesehen, jedenfalls nicht bemerkt«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Zum Glück bin ich weder so widerlich noch optisch so aufdringlich wie du.«
    Baltasar pfiff ein fröhliches Liedchen; dann sagte er munter: »Ich sehe voraus, daß wir eine nette Zeit haben werden. Du bist prächtig gelaunt.«
    Daraufhin holte Hoff tief Luft und beschimpfte Matzbach minutenlang, wobei er in allen Einzelheiten auf die undurchsichtige Familiengeschichte, die Formen freier Lebens- und Gewerbeführung mütterlicherseits und die besonderen Charaktereigenschaften Matzbachs einging, nicht, ohne sich in längeren Spekulationen über erbliche Geistes- und venerische Krankheiten zu ergehen.
    Matzbach lauschte interessiert und hielt dabei vornehmen Abstand zum Taxi. Bald lag Fulda hinter ihnen; das Taxi beschleunigte und bog dann in eine Landstraße ein. Irgendwann verstummte Hoff. Matzbach griff blind nach hinten und förderte eine Packung mit Keksen und ein paar Brötchen zutage, die er unterwegs in aller Eile an einer Autobahnraststätte erstanden hatte. »Hier, friß.«
    Hoff mampfte still vor sich hin. Das Taxi lag weit vor ihnen;

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