Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
sagte er dabei, »daß Sie reichlich arrogant sind?«
    Baltasar nickte. »Es hat sich wiederholt, und eines Tages habe ich dann beschlossen, es auswendig zu lernen, damit ich es mir endlich merke.«
    Kurz nach sieben Uhr wurden die Insassen des Goldbergschen Fachwerkhauses von unchristlichem Lärm geweckt: ein Telegrammbote. Goldberg, leicht verkniffenen Gesichts, schlurfte mit dem Telegramm in der Hand zu Matzbachs Kemenate.
    Baltasar rieb sich die Augen. »Sandmann, heil dir«, knurrte er. Dann riß er den Umschlag auf. ›Sofort Hoff anrufen. Fricke. Hoff.‹ Er zeigte Goldberg das Telegramm.
    »Was denn«, knurrte der Alte, »Hoff anrufen, Fricke, Hoff? Idiotisch, diese moderne Lyrik. Kaffee?«
    Baltasar stürzte ins Bad, zu seiner Zahnbürste. Anschließend spurtete er zu seinem Wagen und verschwand. Eine Viertelstunde später kam er zurück.
    »Na?« Goldberg goß dampfenden Kaffee in zwei Emaillebecher. Baltasar schlürfte, fluchte über seine verbrannte Zunge und griff zu einer Zigarre.
    Goldberg schüttelte den Kopf. »Frühstücken Sie immer so?«
    »Nur wenn ich Zeit hab. – Also: Hoff ist manchmal ein cleveres Kerlchen. Er hatte sich ausgerechnet diesen Fricke als ersten rausgepickt, weil Ministerium.«
    »Welchen Fricke, wieso weil Ministerium?«
    Matzbach setzte ihm schnell auseinander, was es über die Liste mit den Namen und die Telefonnummern und überhaupt zu erzählen gab.
    »Hat also ein Ministerium nach dem anderen angerufen und sich mit Herrn Fricke verbinden lassen wollen. Natürlich gab es nicht überall einen Fricke in leitender Position. Schließlich hatte er einen, der hieß aber Eusebius mit Vornamen und war ein anderer. Klar, wenn ich Eusebius hieße, wäre ich auch ein anderer. Im Innenministerium landete er bei einer freundlichen jungen Dame. Die sagte, Herr Fricke habe gegen Mittag das Büro verlassen und wolle erst am Donnerstag wieder erscheinen.«
    Goldberg nickte. »Nette junge Dame. Was hätte Ihr Hoff denn gemacht, wenn Fricke dagewesen wäre? Ihn gefragt, ob er in der letzten Zeit jemand umgebracht hat?«
    »Er hätte ihn nach dem Vornamen gefragt und dann behauptet, er wolle einen Kasimir Fricke sprechen und sei falsch verbunden. Jedenfalls, Fricke ist aushäusig. Darauf hat Hoff prachtvoll gelogen und der jungen Dame gesagt, er müsse Fricke unbedingt sprechen. Er sei ein entfernter Vetter, und in der Familie hätte es einen Todesfall gegeben.«
    »Noch ein Todesfall, sehr schön.«
    »Daraufhin ist die Dame sehr gesprächig geworden. Herr Fricke hätte nur gesagt, er wolle noch ein paar Dinge vorbereiten und dann morgen, also heute, früh in die Rhön fahren. Sie wüßte nicht, weshalb, aber so wäre es nun mal.«
    Matzbach machte eine Pause und schlürfte wieder von dem Kaffee. »Dann hat Hoff noch ein paar andere Telefonate gemacht, bei denen aber nichts rausgekommen ist. Schließlich hat er sich gestern abend vergewissert, daß Fricke noch in seiner Wohnung ist. Er ist hingefahren, hat Licht gesehen, hat dann von der nächsten Zelle aus angerufen und beim Klang einer Männerstimme aufgelegt. Dann hat Hoff versucht, mich zu erreichen. Das war natürlich unmöglich, weil ich hier war.«
    »Unmöglich.«
    »Eben. Also hat er die halbe Nacht nicht geschlafen und heute früh das Telegramm aufgegeben. Er hat noch einen Hilfsposten rekrutiert, der hat ihn eben angerufen und ihm gesagt, Fricke habe das Haus mit einem Taxi verlassen und sich zum Bahnhof begeben, mit leichtem Gepäck.«
    Matzbach machte eine Pause. »Ich bin zufrieden«, sagte er dann. »Wahrscheinlich kommt nichts dabei heraus, und Fricke besucht einen entfernten Vetter, weil jemand gestorben ist, aber immerhin hat Hoff Organisationstalent. Das ist eine wertvolle Entdeckung. Hoff ist jetzt zum Bahnhof geprescht; er wird in der Nähe des Fahrkartenschalters warten, bis ein Mensch mit leichtem Gepäck vorbeikommt, der so aussieht, wie der andere Posten Fricke beschrieben hat, und der eine Fahrkarte in die Rhön löst. Dann wird auch er eine solche lösen und einsteigen. Der andere Posten wird in Hoffs Wohnung gehen und darauf warten, daß ich ihn anrufe.«
    Goldberg hatte dem Vortrag mit leichtem Zwinkern gelauscht. Nun sagte er: »Findig, aber völlig blödsinnig. Wo hat Hoff denn den zweiten Posten her?«
    »Ha«, sagte Matzbach, »das ist es ja, das hätte ich ihm nicht zugetraut.«
    Mehr war nicht aus ihm herauszuholen. Nach einer Weile begab er sich erneut zu seinem Wagen und fuhr zur Telefonzelle. Als er

Weitere Kostenlose Bücher