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Und Rache sollst du nehmen - Thriller

Und Rache sollst du nehmen - Thriller

Titel: Und Rache sollst du nehmen - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Robertson
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mit dem Zählen an. Warum auch nicht?
    Ich war bei der Donald-Dewar-Statue vor der Royal Concert Hall losgegangen, begann aber erst bei den Willow Tea Rooms mit dem Countdown. Erst als ich die Fenster mit dem ganzen Pseudo-Mackintosh-Kram sah, bei dessen Anblick sich Charles Rennie Mackintosh in seinem Jugendstilgrab umdrehen würde. Doch die Tea Rooms sind nun mal ein Teil von Glasgows Geschichte und eine Lieblingsattraktion der Touristen.
    Besonders der Room de Luxe, mit seinen silbernen Möbelstücken und kunstvollen Bleiverglasungen, ist ein echtes Kleinod, geschaffen inmitten einer verschwitzten,
launischen Stadt. Mackintoshs Genie bestand darin, sich Glasgows Widersprüche zunutze zu machen: Er verband Bögen mit rechten Winkeln, er verband die Tradition mit der Moderne, die Armut mit dem Wohlstand, die Schönheit mit dem Verfall.
    Ein guter Ort, um anzufangen.
    Der Ort, an dem man anfängt, ist immer wichtig. Nicht ganz so wichtig wie der Ort, an dem man zum Ende kommt, aber immerhin. Es gibt solche und solche Arten von Logik. Manch einer hätte mich für verrückt erklärt, aber ich hielt mich an meine Regeln.
    Ich zählte, so gut es ging.
    Eins. Ein vergleichsweise junger Kerl im Auswärtstrikot der Rangers, mit einer Kappe auf dem Hinterkopf, in Jogginghose und Sportschuhen – der klassische Assi-Look. Dazu die Billigkette um den Hals, ein paar Knutschflecken und mindestens ein Tattoo.
    Zwei. Sein Kumpel. Dieselbe Uniform, ergänzt durch eine Narbe vom Ohr bis zum Mund. Seine Hände steckten in den Taschen, er laberte wie ein Wasserfall. Mindestens, Mann.
    Drei. Ein Mädchen. Ein bisschen älter, als Sarah jetzt gewesen wäre, vielleicht neunzehn oder zwanzig, in kniehohen Stiefeln und kurzem Rock, mit dickem Make-up im Gesicht. Sie blickte mich an. Das gefiel mir nicht. Die Kleine hatte auch einen Vater, und dem blühte eine Menge Schmerz.
    Vier. Ein Penner, der von Mülleimer zu Mülleimer torkelte. Sein Gesicht besaß diese ganz eigene schottische Blässe, die weiße Haut war ergraut, die Nase rot,
die Wangen zerfurcht. Er lächelte bis über beide Ohren, und für eine einzige Sekunde beneidete ich ihn. Wahrscheinlich hatte er bloß ein paar Pfund in der Tasche, wahrscheinlich war sein Hirn restlos durchweicht vom Buckfast-Likör, aber er war glücklich. Wie war das nochmal, glücklich sein?
    Der Penner versperrte mir den Weg, blieb stehen, fing an zu singen und hielt mir die geöffnete Hand hin. Ich kam nicht an ihm vorbei. Das war nicht gut, das war überhaupt nicht gut. Der Typ brachte alles durcheinander, und er zog die Blicke der Leute auf uns. Auf mich.
    Sein Gestank stieg mir in die Nase. Feuchte Kleidung, fauliger Mundgeruch, ranziger Atem. Er schmetterte eine sehr spezielle Version des Klassikers »Danny Boy«, immer mit demselben blöden Grinsen auf den Lippen. Ich wollte weiter, ich wollte an ihm vorbei und den Countdown fortsetzen. Die Menschen schwappten nur so an mir vorüber und gingen mir durch die Lappen.
    Also wühlte ich in meinen Hosentaschen, zog ein paar Münzen hervor und drückte sie ihm in die Hand, um mir meine Freiheit zu erkaufen. Ich musste an ihm vorbei, ich musste weiter. Doch jetzt wollte er mir unbedingt danken, schnappte nach meinen Händen und blies mir weiter seinen abgestandenen Atem ins Gesicht.
    Langsam stieg Panik in mir auf. Am liebsten hätte ich ihn abgeschüttelt und zu Boden geschleudert. Die Leute strömten an uns vorbei, alles geriet aus den Fugen. Der
dreckige alte Suffkopf ahnte ja nicht, was er da anstellte. Ich konnte mir das nicht gefallen lassen.
    Er beglückte mich mit einer weiteren Strophe von »Danny Boy«. Ich war sein neuer bester Freund, nur leider wollte ich überall sein, nur nicht in seiner Nähe.
    Ich riss meine Hand los und drückte mich schwer atmend an ihm vorbei. Er fing an zu rufen, ich ignorierte ihn und betete, dass die Passanten ihn ebenfalls nicht beachteten.
    Endlich konnte ich weitermarschieren und weiterzählen. Ich hakte die Leute ab, wenn sie mich passierten, genau dann und keinen Moment früher. Ich ging. Ich zählte. Ich wartete.
    Fünf und Sechs nahm ich kaum wahr. Sieben, Acht und Neun rauschten an mir vorbei wie eine Flutwelle. Nadelstreifenanzüge und grüne Schuluniformen, Damen auf dem Weg zum Mittagessen, Typen, denen die Hosenböden zwischen den Knien hingen. Ich ertrank in Möglichkeiten und Paralleluniversen.
    Die Welt drehte sich, ich verlor die Kontrolle. Reiß dich zusammen. Zehn, Elf, Zwölf, es nahm einfach

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