Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
überquerte. Erst dann kam die Reaktion des älteren Bruders.
»Okay«, hörte er Andreas ihm vom Rücksitz hinterherrufen, sicherlich mit den besten Absichten.
Mittwochabend
M odesty Blaise – oder Blase, wie sie genannt wurde – kam ihm fröhlich, aber beherrscht an der Tür entgegen. Sie war eine zweijährige Silken Windhound und Jennys aktuelle Mitbewohnerin, und sie hatte der Hysterie im Rezeptions- und Hausmeisterkonglomerat der Hundeliebhaber einen extra Schub gegeben. Sie schnupperte neugierig an Hamad, während sie mit dem Schwanz wedelte, aber sie bellte weder noch sprang sie an ihm hoch. Stattdessen warf Jenny sich ihm um den Hals, was sich ein wenig zwiespältig anfühlte, bevor sie ihn in die Wohnung hineinzog.
Auf dem Küchentisch brannten Kerzen und er war festlich gedeckt, mit Tee und belegten Broten.
Hamad hatte sich vorgestellt, dass er innerhalb einer Viertelstunde den Rechner auf Vordermann bringen und danach wieder wegfahren würde, aber als er sah, wie viel Mühe sich Jenny gemacht hatte, wurde ihm klar, dass er seine Pläne ändern musste.
»Wie schön du das gemacht hast«, sagte er, während er in der Küchentür stand und sich selbst davon zu überzeugen versuchte, dass der Körper auch ohne ein warmes Essen am Abend zurechtkam und dass die Müdigkeit eine Chimäre war, die nur mit dem Wetter und der Sonnenwende zu tun hatte. »Das sieht aber gut aus, ich bin ganz schön hungrig!«
Sie nahm ihn an die Hand und führte ihn die wenigen Schritte bis zu einem Stuhl, und es ging alles so schnell, dass er sich ihrem Griff gar nicht entwinden konnte, bevor sie ihn selbst schon wieder losließ. Er setzte sich, und Jenny ließ sich auf dem Stuhl neben ihm nieder.
»Setz dich doch gegenüber hin. Dann kann man sich besser unterhalten«, schlug er vor.
»Es spielt doch keine Rolle, wo man sitzt«, sagte Jenny und legte die Hand auf seinen Arm. »Reden kann man trotzdem.«
Er bemerkte, dass sie sich geschminkt hatte. Vielleicht tat sie das jeden Tag, aber jetzt sah man es jedenfalls deutlicher. Die Situation behagte ihm nicht. Er stand auf und ging auf die andere Seite des Tisches.
»Man kann sich besser unterhalten, wenn man einander richtig sehen kann«, wiederholte er und setzte sich ihr gegenüber.
Sie betrachtete ihn mit einem betrübten Gesichtsausdruck.
»Nicht, wenn man ein Stelldichein hat. Da sitzt man nebeneinander.«
»Nein, auch dann nicht«, verkündete Hamad. »Und das hier ist kein Stelldichein.«
»Nicht?«, fragte sie mit einer Verwunderung, die echt wirkte.
Die ganze Jenny war im Übrigen echt, wurde ihm bewusst. Das hier war kein verdammtes Rollenspiel. Das Beste, was er tun konnte, war natürlich, ihr gegenüber ebenfalls ehrlich zu sein.
»Nein, das ist es nicht. Ich bin nur hier, um dir mit deinem Computer zu helfen. Du lädst mich auf einen Tee ein, und das ist sehr nett von dir. Wir essen und unterhalten uns dabei, dann versuche ich deinen Computer zu reparieren, und dann fahre ich nach Hause. Okay?«
»Aber magst du mich denn nicht? Findest du nicht, dass ich süß bin?«
Jenny sah jetzt ein bisschen traurig aus, aber Hamad fühlte sich plötzlich ganz entspannt. Er hatte das Gefühl, dass er hier einen Beitrag leisten konnte. Etwas, das ihr Vater wahrscheinlich nie schaffen würde. Gerade, weil er ihr Vater war.
»Ich finde dich wirklich spitze, Jenny. Das weißt du. Und du bist unheimlich süß.«
Sie strahlte wieder. Hamad schenkte ihnen beiden Tee ein und fuhr fort:
»Aber das ist nicht der Grund, warum ich dich mag. Dass du süß bist, ist nicht wichtig. Und es gibt andere Arten, jemanden zu mögen. Ich mag dich als Kumpel. Weil du nett bist. Und tüchtig. Und ein guter Kumpel. Ich bin nicht in dich verliebt und du nicht in mich.«
»Doch, das bin ich«, sagte Jenny und sah vollkommen aufrichtig aus.
»Das glaubst du nur. Vielleicht, weil du mich nett findest?«
»Mhm.«
Sie strich eine goldene Haarsträhne hinter das Ohr zurück und biss in ein halbes Roggenbrötchen mit Leberwurst und Gurke darauf.
»Es sind vielleicht nicht alle nett, aber darüber solltest du dir keine Gedanken machen. Auch zu mir sind nicht alle nett. Aber man verliebt sich nicht in jeden Menschen, der freundlich zu einem ist. Dann wäre man ja in jede Menge Leute verliebt und müsste ständig alle möglichen Leute küssen und umarmen«, erklärte Hamad mit einem Lachen.
Jenny lachte auch, aber er hatte seine Zweifel, ob sie wirklich verstand, was er meinte.
»Und ich
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