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Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)

Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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Gesicht des Angreifers nicht gesehen, bevor er das Bewusstsein verlor. Aus den Bewegungsmustern und den Kleidern konnte er schließen, dass es sich um einen Mann gehandelt hatte, aber das Alter konnte er nicht einschätzen und auch nicht, ob es sich um einen Schweden oder einen Ausländer gehandelt hatte. Er brauchte allerdings nicht lange in Unwissenheit zu schweben. Er hörte, wie draußen ein Schlüssel in ein Schloss gesteckt wurde, und bald bekam er Gesellschaft in dem kleinen Schuppen. Aber nicht so, wie er vielleicht gehofft hatte. Er hörte, wie die Tür geschlossen wurde, und plötzlich war der Raum hell erleuchtet. Zuerst sah er nur die nackte Glühbirne unter der Decke, aber dann trat eine Furcht einflößende Gestalt von oben in sein Gesichtsfeld. Der Mann schaute ein paar Sekunden auf ihn herab, ohne ein Wort zu sagen. Dann verzog er den Mund zu einem Lächeln, das nicht die geringste Spur von Freude enthielt. Ohne ein Wort begann er auf ihn einzutreten. In den Bauch, gegen den Brustkorb, ins Gesicht. Er hatte keine Chance, sich zu verteidigen. Mit gefesselten Händen und Füßen konnte er sich nicht einmal so weit zusammenkrümmen, dass sein Kopf geschützt war. Alles, was er konnte, war schreien, und das tat er, bis ihm die Stimme versagte. Aber der vom Knebel gedämpfte Laut kam nicht weit, und der fremde Mann, der ihn in rasender Wut und mit nicht versiegen wollenden Kräften misshandelte, ließ sich davon nicht beeindrucken. Es dauerte viel zu lange, bis er das Bewusstsein verlor. Und er war sich nicht sicher, ob die brutale Misshandlung nicht danach noch weiterging.
    Er zuckte zusammen, als er das mittlerweile nur allzu bekannte Geräusch hörte, mit dem der Schlüssel sich im Vorhängeschloss drehte. Jetzt erwartete ihn ein neuer Durchgang an Schlägen und Tritten, Hohn und Erniedrigung. Er machte keine Anstalten, seine Stellung zu ändern, als die Silhouette des groß gewachsenen Mannes in der Türöffnung auftauchte. Nichts konnte an dem etwas ändern, was jetzt auf ihn zukam, und er gedachte seine Strafe mit Würde zu tragen, ohne sich zu wehren. Aber beim Anblick seines Entführers begann er reflexhaft an den Fesseln hinter seinem Rücken zu zerren. Mit ganz kleinen Bewegungen versuchte er, die unnachgiebigen Seile ein wenig zu dehnen, wie er es schon unzählige Male zuvor getan hatte.
    »Jetzt werden wir uns einen Film anschauen«, sagte der Mann mit weicher, aber bedrohlicher Stimme. »Und dann dachte ich, dass wir selber ein bisschen filmen könnten. Du siehst langsam ein bisschen schwach aus, Einar. Wir müssen dich unbedingt noch filmen, bevor es zu spät ist.«
    Mit seinem funktionierenden Auge begegnete Einar seinem Blick, ohne auszuweichen. Er hatte keine Angst mehr vor ihm, hatte nichts mehr zu fürchten. Der Mann kam zu ihm und steckte ihm die Hände unter die Arme. Anschließend schleppte er ihn an das andere Ende des Schuppens und lehnte ihn mit dem Rücken an die Wand, sodass er saß. Danach setzte er sich daneben und holte eine kleine Videokamera aus der Jackentasche. Mit einer Bewegung klappte er den Bildschirm auf und schaltete den Strom ein.
    »Ein bisschen Abwechslung macht doch immer Spaß, nicht?«, sagte der Mann sanft. »Ich dachte, dass du mir vielleicht nicht glauben würdest, also habe ich Videobeweise mitgebracht. Schau jetzt genau hin, mal sehen, ob du dich wiedererkennst.«
    Einar spürte, wie ihm das Atmen schwerer fiel. Er ahnte das Schlimmste; er war bereits genauestens darüber informiert worden, was sich in der Wohnung im Trålgränd abgespielt hatte, aber er hatte sich geweigert zu glauben, dass es stimmte. Trotz der Kälte trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Er schloss die Augen und holte einpaar mal tief Luft; er wollte jetzt nicht ohnmächtig werden, musste sich zwingen, die Verheerung anzuschauen, die er verursacht hatte.
    Der Film begann. Mit seinem sehenden Auge sah er Kate, schön wie ein Gedicht, neben ihren Kindern auf dem Bett liegen. Die kleine Linn lag zwischen ihrer Mutter und ihrem Bruder, scheinbar schlafend mit dem Daumen im Mund, Tom trug seinen Spiderman-Schlafanzug, auch er schlummerte friedlich. Dann bemerkte Einar das Blut, die riesigen Blutlachen um sie herum. Die Kamera kam langsam näher, zoomte effektvoll ihre Oberkörper heran, bis schließlich das ganze Bild von Kates leblosem Gesicht und ihrem durchgeschnittenen Hals eingenommen wurde. Einar schluckte und schluckte, er wollte sich übergeben, ohnmächtig werden, sich auflösen,

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