Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
möchte nichts Schlimmes anrichten, solange ich noch am Leben bin.«
»Sie wehren sich«, sagte Sjöberg verständnisvoll. »Möchten all diese alten Sachen nicht wieder zum Leben erwecken. Haben Sie Angst, dass Sie Christer wieder gegenübertreten müssen?«
Sie seufzte, und er beobachtete, wie sie in ihrem Sessel ein wenig zusammenschrumpfte.
»So ähnlich«, antwortete sie nur.
Es war ihm gelungen, durch die Mauer zu brechen. Sjöberg spürte, wie auch von ihm die Spannung abfiel, aber es gab noch mehr Fragen, die beantwortet werden mussten, bevor er die kranke Frau in Frieden lassen konnte.
»Wollen Sie mir von Mikael erzählen?«, fragte er vorsichtig. »Wie ist er als Person?«
»Er ist ein guter Junge. Hat nie Probleme gemacht. Rücksichtsvoll und anhänglich.«
»Anhänglich?«
Sjöberg fand, dass es wie die Beschreibung eines Hundes klang.
»Ja, freundlich und entgegenkommend. Hilfsbereit.«
Was hatte er erwartet? Sjöberg konnte den Finger nicht darauf legen, aber Ingegärd Rydins Beschreibung ihres Sohnes klang irgendwie unpersönlich. Er musste an Christer Larsson denken. Seine beiden Kinder mit Catherine Larsson hatten ebenfalls nie Probleme gemacht.
»Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, eine emotionale Bindung zu einem neuen Kind aufzubauen, wenn man gerade zwei verloren hat«, wagte er zu bemerken.
»Ich war nie eine gute Mutter für Mikael«, gab Ingegärd Rydin ohne Umschweife zu. »Ich hätte ihn wegmachen lassen sollen, aber ... das hätte ja nicht besonders gut ausgesehen. Ich habe es nicht über mich gebracht. Er musste oft allein zurechtkommen, als er klein war. Aber er hat sich niemals unzufrieden gezeigt. Ganz im Gegenteil ... seine Fürsorge ist beinahe erstickend. Das klingt vielleicht hart, aber als alleinerziehende Mutter ... Manchmal muss man einfach mal in Ruhe gelassen werden.«
Sjöberg sprang ihr eilig bei. Er fand, dass diese arme Frau nicht noch eine weitere Last zu tragen brauchte.
»So fühlen sich alle Mütter manchmal. Und auch Väter, ich bin selbst einer«, sagte er mit einem freundlichen kleinen Lachen.
Dann setzte er schnell wieder eine andere Miene auf.
»Wie hat Mikael reagiert, als Sie ihm von dem Unfall erzählt haben?«
»Er war ganz aufgewühlt. Erst wollte er mir nicht glauben, als ich ihm von seinen zwei kleinen Brüdern erzählt habe. Seinen kleinen älteren Brüdern«, ergänzte sie mit einem traurigen Lächeln. »Dann war er meinetwegen sehr traurig, wollte mich trösten, aber so etwas mag ich gar nicht. Ich ertrage es nicht, wenn Leute Mitleid mit mir haben, nicht einmal, wenn es Mikael ist. Das hat er wohl gemerkt und mich stattdessen nach den Einzelheiten des Unfalls ausgefragt. Wie Sie wissen, spreche ich nicht gerne über diese Dinge, aber nun sollte es ein für alle Mal getan werden, also habe ich erzählt.«
»Und Fotografien gezeigt?«
»Und Fotografien gezeigt. Er wollte sich gerne ein unvoreingenommenes Bild von allen Beteiligten verschaffen.«
»Mit allen Beteiligten meinen Sie auch Einar und Solveig, nehme ich an?«
»Ja, er hat darauf bestanden.«
»Könnte ich mir die Fotos anschauen?«
»Sie liegen in der zweiten Schublade von oben.«
Sie zeigte auf das Bücherregal hinter ihm, und er stand auf und zog die Schublade heraus.
»Unter den Tischtüchern«, erklärte sie, bevor er fragen konnte.
Er fischte ein dickes Bündel Fotografien heraus, das von einem Gummiband zusammengehalten wurde, setzte sich wieder in den Sessel und breitete die Fotos auf dem Couchtisch aus.
»Ist Mikael ein sportlicher Typ?«, fragte Sjöberg, während er die Fotos betrachtete.
»Ja, mittlerweile schon. Als er klein war, hat er sich nicht für Fußball und die Dinge interessiert, die die anderen Jungs gemacht haben, aber in den letzten Jahren hat er ziemlich hart trainiert.«
»Was trainiert er denn?«
»Er geht ins Fitnessstudio, glaube ich. Er hat ganz schön Muskeln bekommen. Mikael war immer ziemlich klein und schwach, aber in den letzten Jahren ist er zu einem großen und starken Mann geworden.«
»Haben Sie auch Fotos von ihm?«
»Es liegen ein paar Bilder in der Schublade hier im Couchtisch.«
Sjöberg schaute sich die Bilder genau an, und als er den ganzen Stapel durchhatte, schob er ihn über den Tisch, damit sie ihn erreichen konnte.
»Haben Sie Mikael alle diese Bilder gezeigt?«
Sie nickte, ohne Anstalten zu machen, nach den Fotografien zu greifen.
»Zeigen Sie mir die Bilder, auf denen Einar Eriksson zu sehen
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