Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
dass sie außerdem ein paar Straßen weiter im Auto auf ihn wartete, ging niemanden etwas an. Nicht einmal Westman. Es bestand die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass sie eins und eins zusammengezählt hatte und tatsächlich dachte, da wäre etwas zwischen ihnen beiden. Mit allem Recht, denn da war ja tatsächlich was. Es hatte mit einem lächerlichen, aber prestigeträchtigen Fünfkampf zwischen ihnen begonnen. Sie wollten Bowling, Golf, Tennis und, ja, was auch immer es noch gewesen sein mag, gegeneinander spielen, und es war ein bisschen mehr daraus geworden. Jetzt war es vorbei, und mehr war auch nicht gewesen. Jedenfalls nicht vonseiten der Beteiligten. Aber vielleicht von Westmans? Denn sie hatte seit diesem Abend kein freundliches Wort mehr für ihn übrig gehabt, und er konnte keine andere Erklärung dafür finden als Eifersucht.
Nicht, dass er jemals ein besonderes Interesse von ihrer Seite bemerkt hatte. Was natürlich auch damit zu tun haben konnte, dass er bis vor Kurzem noch verheiratet war. Aber so dumm konnte sie nicht sein, dass sie nicht bemerkt hatte, dass sie etwas Besonderes für ihn war? Und wenn sie selbst kein Interesse zeigte, konnte sie ja wohl kaum erwarten, dass er im Zölibat lebte. Oder war es vielleicht genau das? Wollte sie ihn einfach nur für sich haben, gönnte sie ihm nicht, mit anderen zusammen zu sein?
Und die Strafe dafür, dass er ihre unausgesprochenen Regeln missachtet hatte, war grausam. Isolation, Schweigen und kleine Nadelstiche, sobald sich die Gelegenheit bot. Subtil und raffiniert. Zickig. Ganz anders als die Petra, die er gekannt hatte. Aber seine Verfehlungen waren anscheinend schwerwiegend gewesen und er schien noch dankbar sein zu dürfen, dass sie ihn nicht gleich windelweich prügelte. Oder vielleicht auch nicht. Ein heftiger Ausbruch wäre ihm tatsächlich lieber gewesen, und anschließend die Karten auf den Tisch.
Aber das Schlimmste daran war, dass er sie umso mehr zurückhaben wollte, je mehr sie ihn demütigte. Dass er sie haben wollte. Kranke Welt, dachte Hamad, als es ihm schließlich gelang, den komplizierten Schließmechanismus zu überwinden, und die Pforte aufschwang.
Er zog ein paarmal an der Tür, ohne sie aufzubekommen, bevor er den Riegel direkt über seinem Kopf entdeckte. Noch eine Sicherheitsvorrichtung, die die Kinder daran hindern sollte, in einem unbeobachteten Augenblick nach draußen zu entkommen. Er betrat den Flur, zog die Tür hinter sich zu und stellte seine eigenen Stiefel brav zu denen der Kinder.
Das Erste, was er sah, als er wieder aufschaute, war eine große Tafel an der Wand, an der Porträtfotos der beiden Kinder von Catherine Larsson hingen, umrahmt von Blumen, die aus kleinen Krepppapierknäueln in verschiedenen Farben gebastelt worden waren. Unter den Bilder stand fein säuberlich mit Goldstift geschrieben: »Tom und Linn, wir vermissen euch.« Unter dem Text hatten das Personal und die Kinder, nach bestem Vermögen, ihre Namen geschrieben. Hamad musste schlucken. Auf einem kleinen Tisch unterhalb der Tafel hatten sie eine Vase mit einem hübschen Blumenbukett in fröhlichen Farben aufgestellt und drumherum Kuscheltiere platziert.
Er schlich vorsichtig in den Gruppenraum, um die gemeinsame Aktivität nicht zu unterbrechen, die gerade vor sich ging. Eine Frau in seinem Alter spielte den Kindern ein Puppentheater vor. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, verborgen hinter einer großen Sperrholzplatte mit einem in Kopfhöhe ausgesägten Fenster. Die Hände hatte sie in zwei Kasperletheaterpuppen gesteckt: ein Krokodil und einen König, die sich eifrig unterhielten. Die Kinder, die auf dem Boden vor dem selbst gebauten Theater saßen, betrachteten die Puppen mit großen Augen und vollkommen still, bis das Krokodil plötzlich einen Kommentar abgab, der alle zum Lachen brachte. Die Erzieherin ergriff die Gelegenheit, sich zu Hamad umzudrehen, ihn kurz zu mustern und mit leiser Stimme zu fragen:
»Sind Sie Polizist?«
Er fragte sich, ob es wirklich so deutlich zu sehen war, bestätigte aber ihre Vermutung. Sie deutete mit einem kurzen Nicken in die Richtung, aus der er gekommen war.
»Maud ist in der Küche und spült, sprechen Sie mit ihr«, flüsterte sie, bevor sie ihm wieder den Rücken zuwandte und ihre Vorstellung fortsetzte.
Er schlich wieder aus dem Raum, durchquerte den Flur und ging erneut an dem kleinen Altar vorbei. Er hörte das Klappern von Porzellan und folgte dem Geräusch, bis er vor dem Eingang zur Küche
Weitere Kostenlose Bücher