Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
stand. An der Spüle stand eine Frau um die sechzig in Bluejeans und mit kurz geschnittenen Haaren, die die langen Ärmel ihres marineblauen T-Shirts hochgekrempelt hatte. Sie war tief in Gedanken versunken und bemerkte nicht, wie Hamad in die Küche trat. Er räusperte sich, während er die Brieftasche mit seinem Polizeiausweis aus der Gesäßtasche zog.
»Oh, ich habe gar nicht gemerkt, dass jemand da ist«, entschuldigte sie sich, ließ die Spülbürste und den Plastikbecher fallen, den sie gerade säuberte, und trocknete sich die Hände an den Hosenbeinen ab.
»Entschuldigen Sie vielmals, dass ich störe«, sagte Hamad und zeigte ihr mit der linken Hand den Polizeiausweis, während er ihr die rechte Hand zum Gruß entgegenstreckte. »Jamal Hamad von der Hammarbywache.«
Sie nahm seine Hand, stellte sich als Maud Fahlander vor und deutete auf den Küchentisch.
»Ja, hier ist nichts mehr, wie es war«, seufzte sie und setzte sich ganz vorne auf die Kante eines Küchenstuhls.
Hamad nahm ebenfalls Platz.
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte er verständnisvoll, »und es tut mir wirklich leid, was passiert ist.«
»Am liebsten würde man ja zu Hause liegen und weinen«, sagte sie und schüttelte resigniert den Kopf, »aber heute sind wir alle drei hier. Wegen der Kinder. Die Kinder sind auch fast alle da. Wir haben miteinander und mit den Eltern gesprochen und sind zu dem Schluss gekommen, dass es so am besten ist. Darüber zu sprechen und es den Kindern zu erklären.«
»Ich habe die Tafel draußen gesehen«, sagte Hamad, »und den ... Altar. Das ist sehr schön.«
Er spürte, wie seine Augen feucht wurden, und versuchte die Tränen wegzublinzeln.
»Wir haben sie heute Vormittag gemacht, zusammen mit den Kindern. Um mit der Trauer umzugehen«, erklärte Maud Fahlander.
»Wie nehmen sie es auf?«
»Sie sind ja so klein. Für die meisten von ihnen ist es nicht leicht, diese Information richtig zu verarbeiten. Wir sind auch nicht in die Einzelheiten gegangen ... wie genau sie umgebracht worden sind und so. Wir haben ihnen erzählt, dass ein böser Mann sie mit einem Messer erstochen habe. Das hat natürlich für Unruhe gesorgt. Ob ihnen so etwas auch passieren könnte.«
Sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr.
»Sie stellen viele Fragen. Ein paar Kinder haben geweint. Wir nehmen sie oft in den Arm und sprechen viel über Tom und Linn, in positiven Worten. Ich denke trotzdem, dass die Kinder gut damit umgehen. Für die Eltern ist es schlimmer. Und natürlich auch für uns.«
Sie verstummte. Hamad fiel nichts Angemessenes darauf ein, sodass sie eine Weile schweigend zusammensaßen. Die Tür zur Nachbargruppe wurde geöffnet und schlug mit einem Knall wieder zu. Die Erzieherin wurde von dem plötzlichen Geräusch aus ihren Gedanken gerissen.
»Kommen Sie denn weiter?«, wollte sie wissen.
»Auf derartige Fragen darf ich leider nicht eingehen«, sagte Hamad. »Wir haben noch niemanden gefasst, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir diesem Fall höchste Priorität geben. Und natürlich werden wir Sie informieren, wenn wir ein Ergebnis haben.«
Maud Fahlander seufzte und schüttelte betrübt den Kopf.
»Das ist doch verrückt«, sagte sie. »Absolut unfassbar.«
Hamad stimmte ihr zu.
»Ich habe schon miterleben müssen, dass Kinder krank wurden und gestorben sind«, fuhr sie fort. »Oder dass sie verunglückt sind. Aber auf diese Weise niedergemetzelt ...«
Sie schüttelte erneut den Kopf.
»Worüber wollten Sie denn mit mir sprechen?«
Hamad lief ein Schauer den Rücken hinunter.
»Ich habe im Grunde nur eine Frage«, sagte er.
*
Als die Anspannung nach seinem riskanten Manöver in Erikssons Büro nachließ, spürte Sjöberg, wie seine Kopfschmerzen sich wieder einstellten. Er beschloss, sie mit einem großen Glas Wasser und ein paar trockenen Keksen zu bekämpfen, die er sich in der Küche holte. Er nahm sie mit ins Büro und setzte sich vor den Rechner. Als das Glas ausgetrunken und die Kekse aufgegessen waren, waren die Kopfschmerzen schlimmer geworden. Antriebslos starrte er auf den schwarzen Bildschirm. Nach einem kurzen Zögern beschloss er, noch etwas zu tun, wozu er eigentlich nicht das Recht hatte.
Er loggte sich in das Kriminalregister ein, um nach Einar Eriksson zu suchen, dessen Sozialversicherungsnummer er mittlerweile auswendig wusste. Er war sich bewusst, dass seine Suchanfrage überprüft werden konnte, und wenn sie sich als unbefugt herausstellte – was sie zweifellos war,
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