Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
der oberste enthielt Aufzeichnungen von einigen Besprechungen, die Sjöberg selbst geleitet hatte. Die nächste Schublade enthielt diverse andere Dinge wie ein Handy-Ladegerät, ein paar Stapel CD-Rohlinge, eine Schachtel mit Büroklammern aus Metall und eine Taschenlampe. Die unterste Schublade war abgeschlossen, aber Sjöberg brauchte weniger als eine Minute, um die einfache Schlosskonstruktion mithilfe einer Büroklammer zu knacken.
Was zuerst seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war die kleine TAN-Liste der Nordea-Bank, die in der Schublade unter einer Plastikmappe hervorschaute. Er zog sie heraus und studierte sie eine Weile, während seine Gedanken arbeiteten. Saß Eriksson im Büro und bezahlte seine Rechnungen? Aber Sjöberg sah schnell ein, dass es gar nicht anders sein konnte. Einar Eriksson war ein Computermensch, und als solcher bezahlte er seine Rechnungen natürlich online. Einen Computer hatte Sjöberg in Erikssons Wohnung nicht gesehen, sodass er seine Geschäfte wohl von hier aus abwickeln musste. Er warf einen verstohlenen Blick zum Rechner hinüber, dann noch einen auf die kreditkartengroße Liste in seiner Hand. Zwei vierstellige Codes hatte Eriksson bereits verwendet, sodass es noch viele gab, die man freikratzen konnte.
Er fasste einen Entschluss. Mit seiner freien Hand packte er die Schreibtischkante und zog seinen rollbaren Stuhl bis vor Einar Erikssons Computer. Die grüne Leuchtdiode am Bildschirm zeigte an, dass er eingeschaltet war, und das Brummen, das von irgendwo unter dem Schreibtisch kam, deutete darauf hin, dass es der Computer ebenfalls war. Er ruckte ein bisschen an der Maus, um den dunklen Bildschirm aufzuwecken, und ein virtuelles Anmeldefenster mit dem Text »Einar« erschien vor einem himmelblauen Hintergrund. Ohne sich große Hoffnungen zu machen, klickte er auf den Knopf, nur um aufgefordert zu werden, das Passwort einzugeben. Sjöberg seufzte tief und ließ sich auf dem Stuhl in eine halb liegende Position rutschen. Natürlich war Eriksson nicht in seinen Rechner eingeloggt, man wurde hinausgeworfen, wenn man seinem Computer eine halbe Stunde oder so nicht das erforderliche Interesse entgegengebracht hatte.
Er legte die Hände in den Nacken und schaute sich im Büro um. Unpersönlich, wie alles, was mit Eriksson zu tun hatte. Der Raum war bedeutend kleiner als sein eigener, und weil eine Wand von der Tür und einem Bücherregal eingenommen wurde, die nächste von einem Bücherregal und die dritte von einem Fenster, blieb nur eine Wand übrig, an der man etwas aufhängen konnte. Dort hing nichts, außer einem Pullover, der den traditionellen behördlichen Haken besetzte.
Er wandte sich wieder dem Rollcontainer zu und grub weiter in der untersten Schublade. Unter einem Papierstoß mit alten Kursunterlagen fand er einen kleinen Pokal aus Leichtmetall mit der Inschrift »PISS, Meister VI. Liga 1976«. Bei der Sportart handelte es sich offensichtlich um Fußball, denn neben der gravierten Plakette am Fuß des Pokals stand ein kleiner Mann mit stolz vor der Brust verschränkten Armen und einem Ball unter dem rechten Fuß. Sjöberg dachte, dass sie ja so bepisst gar nicht gespielt haben konnten, wenn sie die Liga gewonnen hatten. Er zog die Schlussfolgerung, dass PISS vor langer Zeit so etwas wie »Polizeiinitiative Sport und Spiel« bedeutet haben musste. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, wo Eriksson seine vermutlich erste Stelle angetreten haben könnte, als er Mitte der Siebzigerjahre in den Polizeidienst gegangen war. Jedenfalls war Eriksson in früheren Jahren ganz offensichtlich ein sportlicher Typ gewesen, der sowohl Golf als auch Fußball gespielt hatte, was Sjöberg sich allerdings schwer vorstellen konnte. Eriksson war nicht übergewichtig wie viele andere in ihrem Alter, aber auf den ersten Blick machte er mit seinem blassen Teint, der schlechten Haltung und den tiefliegenden Augen, die auf zu wenig Schlaf hindeuteten, einen ziemlich ungesunden Eindruck.
Er legte den Pokal zurück in die Schublade und zog eine Plastikmappe heraus. Darin waren Rechnungen, die Eriksson noch nicht bezahlt oder erst vor Kurzem bezahlt hatte, nahm Sjöberg an. Er legte die Mappe vor sich auf den Schreibtisch und zog den Inhalt heraus. Eine Mietrechnung der HSB über die Wohnung in der Eriksdalsgatan, eine Zahlkarte der ICA-Bank, eine minimale Telefonrechnung und die wohlbekannte und deutlich höhere Rechnung des Pflegeheims Solberga – das war alles. Ihm fiel etwas ein, und er kehrte
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