Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
hinter Einars Verschwinden steckte. Larssons kühle Reaktion auf die Todesbotschaft konnte andererseits darauf hindeuten, dass er entweder durch die Tragödie in Arboga und die darauf folgenden Depressionen immer noch abgestumpft war oder dass er selbst seine Familie ermordet hatte. Die Wendung »nicht im juristischen Sinne« tauchte wieder in Sjöbergs Bewusstsein auf. Christer Larsson betrachtete sich in einem bestimmten Sinne als schuldig am Tod der Kinder. Konnte es sein, dass er dabei den Tod der beiden Söhne vor langer Zeit gemeint hatte? Vermutlich machte er sich Vorwürfe, dass er die Verantwortung für die Kinder an Einar und seine Frau übergeben hatte. Mit Sicherheit hatte Ingegärd Rydin ihm im Anschluss an die Katastrophe derlei Vorwürfe gemacht, als es ohnehin Anklagen hagelte, wie Edin es ausgedrückt hatte.
Sjöberg wechselte die Perspektive. Was mochte in Einars Kopf vorgegangen sein? Diese neuen Informationen stellten Einars Einmischung in das Leben von Catherine und ihrer Kinder in ein ganz neues Licht. War es Liebe gewesen? Konnte es sein, dass die neue Frau in Einars Leben nur zufällig mit seinem ehemaligen Freund verheiratet war, dem Vater der Kinder, die unter seiner Obhut ums Leben gekommen waren? Das konnte nicht sein, konstatierte Sjöberg. Und mit seinen neuen Einsichten in Einars Persönlichkeit ging Sjöberg allmählich auf, was Einars Absicht gewesen war. Es war vielleicht ein Zufall gewesen, der ihn mit Catherine Larsson zusammengeführt hatte, aber was Einar danach getan hatte, war genauestens durchdacht gewesen. Es ging überhaupt nicht um Liebe, und was Catherine gegenüber ihrer Freundin gesagt hatte, war vollkommen richtig; dass sie und Einar keine Liebesbeziehung hatten.
Denn eigentlich ging es um Schuld. Es ging um das Unfassbare, mit dem Einar seit diesem tragischen Unfall in Arboga vor mehr als dreißig Jahren gekämpft hatte. Ganz plötzlich hatte sich für ihn eine Möglichkeit eröffnet, etwas für Christer Larsson und seine Kinder zu tun. Einar hatte sein Leben der Aufgabe gewidmet, Christer Larssons neuen Kindern und der Frau, mit der er sie bekommen hatte, ein erträgliches Leben zu ermöglichen. Auf diese Weise erwies er auch Christer Larsson einen Dienst – auch wenn dieser davon nichts wissen durfte. Es war Einars Methode, seine schwere Bürde ein wenig leichter zu machen, seine kleine Freude in einem ansonsten kummervollen Leben. Einar Eriksson war ein Mann, der für eine einzige Sache lebte: sein Verbrechen zu sühnen, indem er den Menschen half, die er mit in den Abgrund gerissen hatte.
Sjöberg war sich jetzt absolut sicher: Einar Eriksson hatte Tom, Linn und Catherine Larsson nicht ermordet. Stattdessen war es ihm sehr schlecht ergangen. Schlimmstenfalls war er bereits tot. Jedenfalls brauchte Sjöberg Ann-Britt Berg nicht mehr anzurufen und sie nach Einars Schuhwerk zu befragen. Er hatte das verdächtige Paar bestimmt an diesem Samstag getragen, aber nicht, als die Morde begangen wurden, denn Einar Eriksson war kein Mörder. Und das war Einars Frau auch nicht, dennoch büßte sie eine viel härtere Strafe ab als die meisten Mörder.
Seine Gedanken wanderten zu der eigenen Mutter. Seine Großmutter betrachtete sie als eine Mörderin und hatte sie verstoßen, obwohl sie ihren Sohn aus den Flammen retten konnte. »Ihr habt alle zusammen im selben Zimmer geschlafen«, hatte seine Großmutter gesagt, »aber sie ist aufgewacht und hat dich mit nach unten auf den Hof genommen.« Wie konnte es sein, dass sein Vater im Gegensatz zu seiner Mutter nicht aufgewacht war? Wahrscheinlich hatte er bereits eine Rauchvergiftung und sie konnte ihn nicht mehr wecken. Mit Sicherheit war es ihre Absicht gewesen, wieder ins Haus zu laufen, um ihn ebenfalls nach draußen zu zerren. Aber sie hatte es nicht geschafft. Aus irgendeinem Grund hatte sie ihren Mann nicht mehr aus dem Haus holen können, bevor es zu spät war. Alle zusammen, dachte Sjöberg. Wie viele waren sie gewesen? Aus einem plötzlichen Impuls heraus zog er sein Handy aus der Tasche, rief die Liste der zuletzt gewählten Nummern auf und ließ sich noch einmal mit dem Kirchenbüro der Gemeinde Arboga verbinden.
»Wir haben gestern schon einmal miteinander gesprochen«, erklärte Sjöberg. »Christian Gunnar Sjöberg, geboren am zweiundzwanzigsten August 1933 – könnten Sie so nett sein und seine Daten für mich heraussuchen?«
»Natürlich«, antwortete die hilfsbereite Dame und meldete sich nach einer Minute
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